1. Gewöhnung an das Leben mit dem Defibrillator
Bei der Gewöhnung an den Defibrillator werden drei Phasen unterschieden. Je nach Patient können die Phasen unterschiedlich wichtig sein und unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen.
Phase 1: Erholung von der Operation
Die erste Phase ist durch die Erholung von der Operation geprägt.Diese Phase kann kann zwischen 1 bis 2 Wochen dauern.In dieser Zeit ist es normal, dass man nicht voll belastbar ist. Ebenso kann es, bedingt durch die Operation zu Schmerzen im Brustbereich kommen. Die Einschränkung der Belastbarkeit und die Schmerzen in dieser Phase stehen nicht mit der normalen Arbeitsweise des Defibrillators in Verbindung. Schwierigkeiten in dieser Zeit lassen also keine Rückschlüsse auf zukünftige Probleme beim Tragen des Defibrillators zu. Wenn man sich von den direkten Folgen der Operation erholt hat und aus medizinischer Sicht nichts mehr dagegen spricht, ist es wichtig, dass man den Aktivitäten wieder nachgeht, die früher schon Spaß gemacht haben und die durch die Herzerkrankung vielleicht verwehrt waren.
Phase 2: Gewöhnungsphase
Die zweite Phase ist durch die seelische Gewöhnung an den Defibrillator geprägt. Ein solcher Gewöhnungsprozess, der unterschiedlich viel Zeit braucht, ist ganz normal. Auch nach anderen besonderen Lebensereignissen, z.B. ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder Umzug, sind Anpassungs- und Gewöhnungsprozesse notwendig. Oft steht man den neuen Gegebenheiten zunächst kritisch gegenüber. Beim Arbeitsplatzwechsel ist es z.B. normal, dass man neuen Arbeitskollegen zunächst mit etwas Zurückhaltung begegnet. Erst langsam fasst man Vertrauen. So ist es auch normal, dass man dem Defibrillator zunächst mit etwas Unbehagen gegenübersteht. Vielleicht hat man Zweifel an der Zuverlässigkeit des Gerätes. Auch die Erwartung eines durch das Gerät ausgelösten Schocks kann Unbehagen mit sich bringen. Der Defibrillator ist ein kompliziertes technisches Gerät, dessen genaue Funktionsweise für Laien nur schwer nachvollziehbar ist. Hieraus kann sich auch ein Misstrauen gegen das Gerät einstellen. Der eine oder andere Patient/In mag den Defibrillator mit einem Computer oder einem anderen technischen Gerät vergleichen und Zweifel an dessen Zuverlässigkeit hegen. Gerade die Zuverlässigkeit ist aber ein spezielles Anliegen bei der Konstruktion von Defibrillatoren. Ausfälle von Geräten sind daher extrem unwahrscheinlich. Noch einmal das Beispiel des Arbeitsplatzwechsels: In der ersten Zeit am neuen Arbeitsplatz kann es auch zu Befürchtungen und Ängsten kommen. Unter Umständen ist man sich nicht sicher, ob man den neuen Anforderungen gewachsen ist. Angst, von den neuen Kollegen nicht akzeptiert zu werden kann auftreten. Vielleicht zweifelt man daran, ob die Entscheidung den Arbeitsplatz zu wechseln überhaupt richtig war. Zu diesen Ängsten und Befürchtungen kann es sogar kommen, wenn man mit den Umständen im Allgemeinen sehr zufrieden ist. Aus wissenschaftlichen Studien ist bekannt, dass Patienten mit einem Defibrillator mit diesem Gerät generell sehr zufrieden sind. Die große Mehrheit der Patienten würde sich den Defibritlator auch wieder einbauen lassen, wenn sie noch einmal vor die Wahl gestellt würden. Trotz dieser Einsicht können Zweifel und Ängste in Bezug auf den Defibrillator entstehen. Ängste könnten sich sehr verschiedenen bemerkbar machen. Sie können sich z.B. in „mulmigen Gefühlen“ äußern, die immer dann auftauchen, wenn man an den Defibrillator denkt. Angst kann aber auch in konkreten Situationen, z.B. kurz vor der Kontrolluntersuchung, auftreten. Ein wichtiger Punkt ist weiterhin die Angst, die in Zusammenhang mit den Erwartungen eines Schocks entstehen kann. Angst kann auch sehr plötzlich und ohne erkennbaren äußeren Grund auftreten. Oft ist sie dann mit körperlichen Symptomen wie Schwitzen, Schwindel oder Atemnot verbunden.
Phase 3: Rückkehr zum Alltag
In dieser dritten Phase hat man sich an das Tragen des Defibrillators gewöhnt. Ängste und Sorgen in Bezug auf das Gerät haben in den meisten Fällen abgenommen oder sind ganz verschwunden. Ein tatsächlicher Schock des Geräts wird zwar weiter unangenehm sein, das unangenehme Gefühl nach einem Schock wird aber bald wieder vergehen. Da das Gerät mit jeder Kontrolluntersuchung besser eingestellt werden kann, ist zu erwarten, dass mögliche Schockabgaben immer seltener werden.
2. Der Defibrillator in Aktion
Wie die meisten Menschen sind Sie es sicher gewohnt, selbst Kontrolle über Ihre Gesundheit zu haben. Bei Operationen z.B. gibt man diese Kontrolle nur kurzfristig an das Ärzteteam ab. Der Defibrillator übernimmt durch seine Arbeit auch eine gewisse Kontrolle über Ihre Gesundheit. Vielen Patienten vermittelt das zunächst ein mulmiges Gefühl. Einen Teil der Kontrolle an das Gerät abzugeben ist ein Teil des Anpassungsprozesses. Einige Patienten berichten, dass Sie seit dem Einbau des Defibrillators zunehmend auf Signale ihres Körpers und vor allem ihres Herzens achten. Vielleicht geht dies auch Ihnen so. Für die Anfangszeit nach der Operation ist dies nicht ungewöhnlich, schließlich steht Ihr Herz in diesem Zeitraum ja im Mittelpunkt des Geschehens. Manche Patienten hoffen durch häufige Kontrolle des Pulses entdecken zu können, wann es zu einem Schock kommen wird. Sie tun dies, um auf einen kommenden Schock vorbereitet zu sein. Der Wunsch einen Schock vorhersehen zu können ist zwar verständlich, leider ist dies aber nicht möglich. Der Defibrillator misst den Herzschlag effektiver als dies am Handgelenk oder durch ein Pulsmessgerät möglich ist und leitet die notwendigen Schritte selbstständig ein. Sehr schnelle Herzschläge, die einen Schock notwendig machen, sind am Handgelenk ohnehin nicht spürbar und werden auch von Pulsmessgeräten nicht erkannt. Es ist daher aus medizinischer Sicht nicht notwendig, dass Sie Ihren Puls häufig kontrollieren. Häufige Kontrollen sind sogar ungünstig, da sie dazu führen können, dass Sie auch entsprechend oft an mögliche Schocks denken müssen. Auf diese Weise kann sich auch die Angst vor einem Schock erhöhen. Schließlich ist es die Stärke des Defibrillators, dass er Ihren Herzschlag genau überwacht ohne dass Sie sich darum kümmern müssen.
3. Defibrillator und Angst
Angst ist wahrscheinlich das Grundlegendste unserer Gefühle. Angst tritt nicht nur bei Menschen auf, sondern kann auch bei Tieren beobachtet werden. Obwohl Angst unangenehm ist, ist sie nicht gefährlich, sondern ein normales Gefühl. Die Angst vor gefährlichen Situationen signalisiert, dass wir diese nicht aufsuchen sollten. Normalerweise hat Angst somit eine Schutzfunktion für den Menschen. Unter gewissen Umständen können aber Ängste entstehen, die aufgrund ihrer Stärke oder Dauer nicht mehr sinnvoll sind. Dies ist auch der Fall, wenn sich Ängste vor Dingen oder Situationen einstellen, die objektiv gesehen nicht gefährlich sind. Einige Patienten berichten, dass sie ihre Gesundheit seit ihrer Herzerkrankung nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit ansehen. Vielleicht kommt es auch bei Ihnen durch die Erkrankung dazu, dass Sie sich Gedanken über Themen wie Sterben und Tod machen. Erfahrungen haben gezeigt, dass sich nach einer solchen Phase ein bewussteres Lebensgefühl einstellt.
3.1. Wie erkenne ich, dass ich eine Angstattacke habe?
Angst kann sich sehr unterschiedlich äußern. Sie kann direkt als unangenehmes Gefühl vorliegen, wenn eine konkrete Situation bevorsteht, die man für bedrohlich hält. Angst kann sich z.B. vor den Kontrolluntersuchungen bemerkbar machen. Oft reicht es auch schon aus an die betreffende Situation zu denken um ein unangenehmes Gefühl zu bekommen. So kann schon der Gedanke, dass Sie eine Entladung bekommen könnten zu Angst führen. Es handelt sich um Angst, wenn bestimmte Gedankeninhalte immer wieder ein unangenehmes Gefühl bei Ihnen auslösen. Angst kann sich auch anfallsartig zeigen. Hierbei kommt es zu Empfindungen wie Herzklopfen, Schwindel oder Schwitzen. Angstanfälle können gehäuft in bestimmten Situationen auftreten, z.B. in einer belebten Einkaufsstraße. Ein Angstanfall kann sich aber auch ereignen, ohne dass in der Situation ein Auslöser für die Angst zu erkennen ist. Solche Angstanfälle sind unangenehm, aber nicht gefährlich. In manchen Fällen ist eine solche Angst auch von der Befürchtung begleitet, die Kontrolle zu verlieren oder zu sterben. Solche und andere negative Gedanken können die Angst noch verstärken.
Schließlich kann Angst sich auch darin zeigen, dass man bestimmte Situationen vermeidet. Hierbei kann es sich z.B. um öffentliche Verkehrsmittel, große Menschenansammlungen oder freie Plätze handeln. Auch das Vermeiden von bestimmten Handlungen, z.B. von körperlicher Aktivität, kann ein Anzeichen von Angst sein.
3.2. Ist es gut oder schlecht Situationen zu vermeiden, vor denen man Angst hat?
Es ist eine natürliche Reaktion Situationen zu vermeiden, vor denen man Angst hat. Das schützt, sich in Situationen zu begeben, in denen man Schaden nehmen könnte. Diese gesunde Reaktion wird problematisch, wenn hinter ihr eine übersteigerte Angst steht. Eine anhaltende Angst kann so zu einer deutlichen Einengung des natürlichen Handlungsspielraums und damit der Lebensqualität führen. In solchen Fällen ist es also nicht sinnvoll, Angst auslösende Situationen zu vermeiden. Nehmen wir an, dass ein Patient Angst davor hat in einem öffentlichen Verkehrsmittel einen Schock zu bekommen. Eine mögliche Reaktion auf diese Angst wäre, öffentliche Verkehrsmittel zu vermeiden. Dies stellt eine deutliche Einschränkung der Mobilität dar. In Zukunft wird er auch einigen seiner Freizeitaktivitäten nicht mehr nachgehen können, wenn er dafür öffentliche Verkehrsmittel benutzen muss. Wie wissenschaftliche Studien belegen, steht hinter Vermeidungsverhalten häufig ein unbewusster Lernprozess. Ein erlebter Schock wird im Gehirn mit der Situation verbunden, in der er stattgefunden hat. Beispiel: Ein Schock ereignet sich, während Sie im Wohnzimmer ein Pfefferminzbonbon essen. Weder das Wohnzimmer noch das Bonbon kommen als Auslöser für den Schock in Frage. Dennoch wird beides vom Gehirn damit verbunden und das Wohnzimmer und das Pfefferminzbonbons werden in Zukunft vermieden. Anfangs werden vielleicht Dinge vermieden, die keine große Einschränkung bedeuten. Nach und nach kommen aber weitere Dinge und Situationen dazu, die dann insgesamt eine deutliche Einschränkung in der persönlichen Entfaltung darstellen, obwohl dies zuerst gar nicht so wahrgenommen wird. Das tückische am Vermeidungsverhalten ist, dass es sich auf lange Sicht selbst verstärkt. Das Verlassen oder Vermeiden einer Angst auslösenden Situation führt kurzfristig zu einem Gefühl der Erleichterung, als ob man einer gefährlichen Situation gerade noch entkommen wäre. Dieses positive Gefühl stellt für den Menschen eine Belohnung dar. Nun ist es sehr menschlich, Handlungen zu wiederholen, die belohnt wurden. Das Vermeiden von Situationen, die Angst auslösen, stabilisiert sich so und bleibt, wenn nicht aktiv eingegriffen wird, erhalten.
3.3 Was kann ich gegen Angst tun?
Auch wenn Angst nicht gefährlich ist, ist sie sehr unangenehm und kann das seelische Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Wenn Sie merken, dass Ängste Sie belasten, sollten Sie auf jeden Fall etwas dagegen unternehmen
a) Entspannung
Da Angst ein Gefühl ist, das in vielen Fällen mit Anspannung einhergeht, kann Entspannung bewusst eingesetzt werden um Angst zu reduzieren. Effektive Entspannungsmethoden sind u.a. das Autogene Training und die Progressive Muskelentspannung. Wenn Sie bereits eine Entspannungsmethode praktizieren, können Sie diese bewusst einsetzen, um sich in konkreten Angstsituationen zu entspannen. Wenn Sie ein Entspannungsverfahren regelmäßig üben, beugen Sie automatisch auch der Angst vor. Neben Entspannungsverfahren können z.B. auch Musikhören, ein warmes Bad oder eine Massage sehr entspannend sein. Probieren Sie aus, was Sie entspannt und Ihnen gut tut. Auch bei Angstanfällen ist Entspannung ein gutes Mittel zur Angstreduktion. Da der Körper nicht lange in der Anspannung verharren kann, klingt ein Angstanfall, egal wie stark er ist, ganz von alleine wieder ab. Mit einer bewussten Entspannung können Sie diesen Prozess aber noch beschleunigen.
b) Gespräche mit Angehörigen
Viele Patienten berichten, dass ein offenes Gespräch mit dem Partnerin oder guten Freunden bei der Bewältigung von Angst sehr hilfreich ist. Denn oft sind es unausgesprochene Ängste, die die größte Belastung darstellen. Leider ist Angst ein Tabu-Thema und vielleicht werden auch Sie Hemmungen haben, über ihre Ängste zu reden. Wenn das Eis aber erst einmal gebrochen ist, werden Sie bald die Erleichterung spüren, die von einem solchen Gespräch ausgeht. So können auch Sorgen des Partners thematisiert werden, die dieser vielleicht aus falsch verstandener Rücksicht ansonsten nicht äußern würde.
c) Angsttherapie
Einige weitere effektive Methoden, um Angst zur bewältigen, beruhen auf einer Veränderung von Gedanken, die sich auf Angst beziehen. Diese Verfahren haben sich in der Praxis sehr bewährt. Eine Einführung in diese Verfahren würde den Rahmen dieser Information sprengen, da sie sehr spezifisch auf die Angst angepasst werden müssen und oft nur mit Unterstützung eines Therapeuten durchgeführt werden können.
3.4. Zehn Regeln im Umgang mit der Angst
1. Angstgefühle und körperliche Beschwerden sind übermäßige, aber „an sich“ normale Stressreaktionen.
2. Meine Angstgefühle und körperlichen Beschwerden sind nicht schädlich für meine Gesundheit.
3. Wenn ich Angst habe, beobachte und beschreibe ich im Geiste oder durch lautes Aussprechen oder Aufschreiben ganz genau, was wirklich geschieht - ich bleibe in der Realität.
4. Ich bleibe in der Realität und belaste mich nicht durch übertriebene und unwahrscheinliche Phantasien und Katastrophenvorstellungen.
5. Ich nehme mir Zeit und bleibe ganz bewusst in der Situation, bis die Angst wieder abklingt.
6. Ich beobachte bewusst, wie meine Angst nach einiger Zeit von alleine abklingt.
7. Ich vermeide keine Situationen, in denen ich befürchte, Angst zu bekommen.
8. Ich setze mich - gegebenenfalls nach Schwierigkeitsgrad abgestuft - allen Situationen aus, die mir Angst machen. Dafür suche ich mir einen kompetenten Therapeuten.
9. Ich bin stolz auf kleine Erfolge - auch auf die ganz Kleinen.
10. Ich setze mich nicht unter Druck und nehme mir in allen Angstsituationen Zeit.
3.5. Kann ich einen Angstanfall mit einer akuten Herzrhythmusstörung verwechseln?
Bei einem Angstanfall können ähnliche Symptome auftauchen wie bei einer akuten Herzrhythmusstörung. In beiden Fällen kann es zu Herzklopfen, Benommenheit, Schwindel und Schwitzen kommen. Eine endgültige Antwort auf die Frage, ob es sich zu einem bestimmten Zeitpunkt um einen Angstanfall oder einer Herzrhythmusstörung gehandelt hat, ist fast immer möglich. Hierzu können die Daten genutzt werden, die der Defibrillator speichert. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie einen Angstanfall oder eine Herzrhythmusstörung hatten, sollten Sie sich mit der Klinik in Verbindung setzen. Notieren Sie sich bitte den genauen Zeitpunkt des Vorfalls. Während der Kontrolluntersuchung können Sie den Kardiologen dann fragen, ob zu diesem bestimmten Zeitpunkt eine Herzrhythmusstörung vorgelegen hat. Ist dies nicht der Fall, hat es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Angstanfall gehandelt.
Dipl.-Psych. Christian Küdde
Alter Fischmarkt 24
48143 Münster
Tel: 0251 - 2463 285
Mobil: 0176 - 23 26 4946
E-Mail: