Steht die Implantation eines Defis an, haben viele Patienten Angst davor, was auf Sie zukommt. Wie ihr Leben nach der Operation aussehen wird. Denn vieles wird sich verändern. Und diese Veränderungen machen Angst, weil die Erfahrungen, die damit verbunden sind, erst einmal neu sind. Andere Patienten wiederum fühlen sich erst nach der Operation anders und entwickeln Ängste. Selbst wenn der Defi erst einmal ihr Leben gerettet hat. Doch schon bald sehen sie sich mit vielen Fragen konfrontiert, die ihr Wohlbefinden schmälern können. In dem Bewusstsein, einen Fremdkörper in sich zu tragen, auf den sie sich von nun ab verlassen müssen, können sie Gefühle von Kontroll- und Autonomieverlust entwickeln: Sie erleben sich ohnmächtig und ausgeliefert. Zum Beispiel, weil sie nicht wissen, wie ein Schock sich anfühlt oder weil sie fürchten, dass der Defi im entscheidenden Moment nicht richtig funktioniert. In manchen Fällen kann das sogar dazu führen, dass sie den Defibrillator nicht mehr wollen – vor allem, wenn sie seine lebensrettende Funktion nicht erleben.

Kommt es dann zu Schocks, können diese ebenfalls zu Ängsten und sogar Panikattacken führen. Im schlimmen Fall auch zu Depressionen. Die Angst vor dem Schock entsteht dabei aus seiner mangelnden Voraussehbarkeit und einer empfundenen Willkür. Der Körper gerät unter Stress. Wenn Patienten dann nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, führt das schnell dazu, dass sie soziale oder sportliche Aktivitäten vermeiden und sich damit sukzessive isolieren. Ganz wichtig ist deshalb die Aufklärung. Gespräche mit Psychologen oder Verhaltenstherapeuten können Ängste auffangen und Wege zeigen, wie die Patienten aktiv mit ihrem neuen Leben umgehen können.

Auch Lebenspartner haben Angst

Der Einbezug von Lebenspartnern und Angehörigen ist nach einer ICD-Implantation entscheidend wichtig. Denn auch sie haben Angst: dass der Partner verstirbt, dass sie nicht adäquat helfen können oder dass sie im entscheidenden Moment nicht zur Stelle sind. Und so, wie die Angst des Patienten ihn selbst stresst, geraten auch die Partner unter Druck. Was – unbeabsichtigt – dazu führen kann, dass sie den Patienten überbehüten und bei ihm zusätzliche Ängste schüren. Nicht selten vergessen Partner auch, sich um sich selbst zu kümmern und verausgaben ihre Energie bis zur Erschöpfung für den anderen. Der gute Wille, der dahinter steckt, kann schnell ins Gegenteil schlagen: denn sie vergessen dabei leicht, dass ihre Partner eigenverantwortliche Menschen bleiben – und sie selbst nicht die Verantwortung dafür tragen, dass »nichts passiert«. Helfen können sie deshalb eher, wenn sie erkennen, dass sie sich ausreichend Zeit nehmen müssen für ihre eigenen Belange. Und wenn sie lernen, sich dafür nicht zu schämen.

Das Ausmaß der Angst

Ob Patienten bereits ein Schockerlebnis hatten oder nicht, spielt für das Ausmaß ihrer Angst eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist ihre Persönlichkeit. So entwickeln Menschen mit einer sogenannten Typ-D-Persönlichkeit weitaus häufiger psychische Symptome als andere Persönlichkeitstypen. D steht dabei für distress, was soviel bedeutet wie Kummer. Diese Menschen sind eher nach innen gekehrt und häufig unglücklich. Sie ziehen sich von anderen Menschen zurück und haben kein großes Selbstvertrauen. Studien zeigen, dass das Herzinfarkt-Risiko bei Typ-D-Persönlichkeiten deutlich erhöht ist. Durch unbewältigte Ängste steigt bei Herzpatienten jedoch der Stresslevel. So bringen sie sich ungewollt selbst in Gefahr und der Teufelskreis Stress – Arrhythmie – Schock – Stress kann einsetzen. Doch auch hier ist Hilfe möglich: denn Studien belegen, dass eine psychologische oder pharmakologische Interventionen helfen kann, diesen Teufelskreis zu unterbrechen. Reden ist also bei Defi-Patienten nicht nur Silber, sondern Gold.

Silvia Dalhoff ist niedergelassene psychologische Psychotherapeutin in Münster.

 

Hinweis:

Um den sehr persönlichen Austausch in den Arbeitskreisen zu fördern und die vertraute Atmosphäre nicht zu stören, entstand dieser Bericht aus einem Nachgespräch mit Silvia Dalhoff und eigenen Recherchen.

 

Text: Birgit Schlepütz
Fotos: Ilona Kamelle-Niesmann

Quellen:
Nachgespräch mit Dipl. Psych. Silvia Dalhoff
medical tribune 16.11.2012 | Bericht über den Europäischen Herzkongress
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