Dr. Daniel Zandt ist Mitglied der Defi-Liga und eine feste Bank, wenn es um Vorträge oder Gesprächskreise geht. Als niedergelassener Kardiologe bietet er so gut wie alle Leistungen „rund um den Defi“ an und ist deshalb bestens mit dem Thema vertraut. Unterstützt wird er in seiner Praxis im westfälischen Lengerich von einer Kollegin, die Oberärztin in der Schüchterman-Klinik in Osnabrück ist.

Bevor er auf individuelle Fragen einging, begann Dr. Zandt den Nachmittag mit Blick auf die neu hinzugekommenen Teilnehmer_innen mit einem kurzen Überblick. Er reichte von der Wirkweise der verschiedenen Devices über das sichere Alltagsverhalten mit Defi bis hin zu der bisweilen tabuisierten Frage nach dessen Abschalten am Lebensende. Dr. Zandt zeigte im Einzelnen, wie die Aggregate, Kabel und Konnektoren aussehen und wie klein sie mittlerweile sind. Dreikammer-Defis (CRT-ICD) sind etwas dicker, da sie zusätzliche Technik zur Synchronisation der Aktionen beider Herzkammern enthalten.

Auch zu den Problemen, die bei Defis auftauchen können, sagte Dr. Zandt etwas: Grundsätzlich arbeiteten die hoch technisierten Devices zwar extrem zuverlässig, doch bisweilen kommt es etwa zu Brüchen oder Isolationsstörungen an den Sonden. Und auch wenn Fehlschocks oder Funktionsstörungen am Aggregat  oder an der Elektroeinheit auftreten können: Im Vergleich zum Nutzen der Devices halten sich diese nach allen bisherigen Erfahrungen im Rahmen. Im konkreten Fall oder auch nur beim Verdacht auf Probleme sollten Patienten sich nicht scheuen, mit ihrem Kardiologen zu sprechen oder in die Klinik zu fahren. Denn je schneller ermittelt wird, ob und wo die Ursache des Problems liegt, umso schneller kann sie behoben werden. Schließlich hob Dr. Zandt auch noch einmal den Unterschied zwischen Herzschrittmacher und Defibrillator hervor: Anders als der Defi, überbrückt der Schrittmacher Blockierungen im Herzrhythmus und fungiert als Taktgeber für das Herz. Schrittmacher setzen keine Schocks ab und sind weder zur Kardioversion noch zur Überstimulation fähig.

Wie nicht anders erwartet, regte der Einstiegsimpuls die Teilnehmenden zu eigenen Fragen an, so dass sich ein reges Frage-Antwort-Gespräch entwickelte.  Hier ein paar wesentliche Inhalte in Stichpunkten:

Der Defi im Alltag: Vorsicht und „Entwarnung“

Intakte Haushaltsgeräte sind in der Regel für Defi-Patienten unproblematisch. Dazu gehören  Waschmaschinen, Telefone, Staubsauger, Mixer, Haartrockner oder auch Toaster.

  • Für Induktionskochfelder geben die Hersteller keine Garantie, mit einem Mindestabstand von 30 cm ist die normale Nutzung aber kein Problem. So lange man nur mit zwei Töpfen kocht, reicht es also, dazu die hinteren Platten zu benutzen.
  • Bei Mikrowellen ist zu beachten, dass man sich bei laufendem Betrieb nicht darüber beugt.
  • Vorsicht ist eher bei elektrischen Heizdecken geboten. Nach Möglichkeit sollte man sie nicht nutzen. Wenn doch, ist mindestens eine Armlänge Abstand zum Defi gut.
  • Handys sind weitgehend unkritisch, gehören aber nicht in die Hemd- oder Jackentasche, die auf der Seite des Implantats Wer auf Nummer sicher telefonieren möchte, benutzt dazu auch das Ohr auf der gegenüberliegenden Seite des Implantats.
  • Vorsicht! Heißt es beim iPhone 12, hier warnt der Hersteller apple selbst. Der Grund: Dort, wo auf dem Handy der Apfel zu sehen ist, befindet sich ein Magnet. Er ist als praktische Hilfe zur Befestigung gedacht, Patienten mit Defi oder Schrittmacher sollten aber genau deswegen aufpassen.
  • Bei der Heim- und Gartenarbeit sollten Defi-Patienten Rasenmäher, Bohrmaschinen oder auch elektrische Heckenscheren mit einer Armlänge Abstand bedienen. Wenn das nicht geht: Lieber die Kinder oder Enkel fragen.
  • „Nicht benutzen!“ gilt für Lichtbogen- und Widerstandsschweißgeräte, da dies für den Defi aussehen kann wie Rhythmusstörungen. Gas-Schweißgeräte sind hingegen unproblematisch.
  • „Abstand halten“ ist auch bei Industriemagneten, Umspannwerken, industriellen Induktionshöfen das sicherste Verhalten.
  • Sicherheitsschleusen in Einkaufsbereichen und an Flughäfen sind nach allen Erkenntnissen unkritisch, wenn Defi-Patienten zügig durch sie hindurch gehen. Auf dem Flughafen führt man Defi-Patienten auch deshalb an den Schleusen vorbei, weil sie ähnlich „piepsen“ wie eine Waffe.
  • Wer eine „eine gewischt“ bekommt, sollte danach auf jeden Fall den Defi prüfen lassen. Der Stromschlag an sich ist für den Patienten genauso kritisch oder unkritisch, wie für Menschen ohne Defi.
  • Mammografien sind auch mit ICD möglich. Da jedoch dabei eine Menge Druck auf Haut und Gewebe ausgeübt wird, sind die Annaht und die Konnektoren belastet. Hier sollte das medizinische Personal auf jeden fall Bescheid wissen!! Für S-ICD-Patientinnen spielt dies keine Rolle.

Sport und Defi

Grundsätzlich ist Sport mit dem Defibrillator möglich und empfehlenswert. Eine Rücksprache mit dem Kardiologen ist aber unbedingt wichtig. Der Grund: Einerseits sind bestimmte Sportarten aufgrund der Vorerkrankung weniger oder gar nicht mehr geeignet. Andererseits können Defis auch „auf die Sportart“ hin programmiert werden. Dies gilt etwa für die Grenzwerte der Pulsfrequenz bei Laufsportarten

  • Nicht geeignet ist das EMS-Training, da es mit elektromagnetischer Muskelanimation arbeitet.
  • Nicht empfehlenswert: Um zu vermeiden, dass Elektroden brechen oder sich vom Konnektor lösen, sollte man Überstreckungen bei Yogaübungen sowie Sportübungen mit Schwingstäben oder Rüttelplatten
  • Vorsicht ist auch bei allen Kontakt- oder Kampfsportarten Für Ballsportler empfiehlt sich eventuell eine orthopädisch angepasste Schutz-Orthese.       

Autofahren mit Defi

Auch Defi-Patienten wollen mobil bleiben – deshalb ist das Autofahren bei frisch Implantierten immer ein drängendes Thema. Es ist jedoch ein ernst zu nehmendes Thema, weswegen die Angaben der Kardiologen unbedingt eingehalten werden sollten. Kommt es etwa zu einem Unfall, ist es für die Mitschuld und die Haftung relevant, ob eine Fahrerlaubnis bestand. Eine pauschale Antwort, wann man mit Defi wieder ans Steuer darf, gibt es nicht. Deshalb so viel: 

  • Erhält man einen ICD7S-ICD vorsorglich (Primärprophylaxe), ist das Fahren bei unproblematischem Verlauf meist nach der Wundheilung (zwei bis drei Wochen) wieder erlaubt.
  • Erhält man einen ICD/S-ICD aufgrund eines Ereignisses (Sekundärprophylaxe), ist das Auto fahren frühestens drei Monate nach der Implantation wieder erlaubt. Je nach Grunderkrankung kann es aber auch sechs Monate dauern. Jeder sollte sich unbedingt an diese Regeln halten – denn passiert etwas, sind sie juristisch relevant.
  • Hatte man eine Schockabgabe wird diese gewertet wie ein Ereignis – auch wenn der Schock nicht adäquat war oder sogar unbemerkt blieb. Spätestens bei der Auslese des Gerätes werden alle Schocks sichtbar.
  • Nach einer Operation wegen einer technischen Fehlfunktion (z.B. Sondenbruch) wird von Fall zu Fall entschieden. Da es sich nicht um einen Schock oder ein Ereignis handelt, wird dieser Fall ähnlich gewertet wie die vorsorgliche Implantation: also Fahrerlaubnis nach erfolgreicher Wundheilung und Defi-Kontrolle.

Telemonitoring

Auch das Thema Telemonitoring kam zur Sprache: Dr. Zandt bietet einen solchen Rundum-Service nicht an, da mit seiner Mannschaft einen solchen Rund-Um-die Uhr-Service nicht verantwortlich gewährleisten könne. Seine Meinung dazu: „Die Plattformen der Hersteller sind super und auch die Übertragung der Daten läuft super. Entscheidend ist aber nach wie vor, dass am anderen Ende der Leitung qualifizeíertes Personal sitzen müsse, das die Daten kontinuierlich einsieht und einschätzen kann.“

Zur Kur mit S-ICD?

Tragen Patienten einen S-ICD aufgrund einer Primärprophylaxe - also vorsorglich - genehmigen die Kassenträger eine Kur in aller Regel nicht. Wer jedoch deutlich machen kann, aufgrund der Implantation unter psychischen Belastungen zu leiden, hat gute Chancen auf die Genehmigung einer Kur. Sprechen Sie also in diesem Fall mit Ihrer Psychologin oder Ihrem Therapeuten. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt es einen weiteren Weg: alle vier Jahre steht ihnen eine Kur zu, die ganz normal über den Versicherungsträger beantragt werden kann.

Fragen zur Corona-Impfung

Viele Menschen haben aufgrund ihres Alters oder ihrer chronischen Krankheitsgeschichte bereits eine Impfung erhalten. Die meisten verarbeiten sie problemlos, manche zeigen grippeähnliche Symptome wie Fieber, Schüttelfrost oder Kopf- und Gliederschmerzen. Diese Reaktionen, so Dr. Zandt, seinen jedoch nicht typisch für Defi-Patienten, sondern würden quer durch alle Impfgruppen beobachtet. Beim Impfstoff der Firma BionTec tauchten solche Symptome eher nach der zweiten Impfgabe auf, beim Impfstoff der Firma AstraZeneca eher nach der ersten. Beides sei aber nicht die Regel.

Wer eine künstliche Herzklappe trägt, sollte vorsichtshalber bei der Impfung darauf hinweisen. Das gilt auch für Patienten, die etwa von Vorhofflimmern betroffen sind oder aus anderen Gründen Blutverdünner einnehmen. Für sie hatte Dr. Zandt folgenden Rat: “Es kann Sinn machen, Blutverdünner am Tag der Impfung auszusetzen. Dabei geht es nicht um die Verträglichkeit mit dem Impfstoff, sondern ausschließlich darum, mögliche Einblutungen an der Einstichstelle zu vermeiden. Klären Sie also vor Ihrer Covid-19-Impfung mit Ihrem Kardiologen, ob eine solche Blutverdünner-Pause angebracht ist. Das gilt besonders für Marcumar-Patienten. Denn anders als etwa Eliquis, Lixiana oder Xarelto darf Marcumar nicht abrupt abgesetzt werden.“ Laut Erfahrungsberichten aus dem Kreis der Online-Gäste sind die Impfnadeln in den Zentren wohl sehr dünn und die Impfärzte sensibel, wenn man auf Blutverdünner hinweise.

Leben und sterben mit dem ICD/CRT-D

Die Frage, wann ein Defi abgeschaltet werden soll, ist immer nur von Mensch zu Mensch, von Fall zu Fall zu entscheiden. In den allermeisten Fällen wird diese Entscheidung erst relevant, sobald sicher ist, dass ein Mensch absehbar sterben wird – etwa aufgrund einer Krebserkrankung. Klar ist auch, dass ICDs und S-ICDs ab einem bestimmten Punkt das Leben nicht mehr verlängern. Stattdessen können Sie durch Schockabgaben den Sterbeprozess verlängern. Das Abschalten des Defis hat medizinische, ethische und auch juristische Dimensionen. Die kardiologischen Standesvertretungen sind deshalb bemüht, Empfehlungen oder allgemeine Leitlinien zu formulieren, um Patienten zu einer abgewogenen Position zu verhelfen. Wichtig ist: Jeder Patient und jede Patientin haben jederzeit die Entscheidungsfreiheit darüber, ob Ihr Defi aktiv bleiben oder abgeschaltet werden soll. Ideal ist es, wenn sie ihre Entscheidung in einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht festhalten.  

 

Text: Birgit Schlepütz

Quelle: Online-Gesprächskreis