Elektrodenvorteile

Im Gegensatz zum ICD wird das Aggregat des S-ICD unter dem linken Rippenbogen implantiert, so dass seine Elektroden nicht transvenös in das Herz geführt werden müssen. Stattdessen werden sie am Brustkorb unter der Haut platziert und detektieren den Herzrhythmus von außen. In der Entwicklung der Defi-Technologie war dies eine kleine Revolution, da auf diese Weise Venen, Gefäße und das Herzinnere unberührt bleiben und zum Beispiel Elektrodenprobleme oder Entzündungen weitgehend vermieden werden können. Auch die Elektroden selbst sind dicker und damit unempfindlicher gegenüber Brüchen. Dr. Güner selbst war noch nicht Oberarzt in der Klinik für Rhythmologie am UKM, als der heutige leitende Oberarzt Dr. med. Florian Reinke im Juni 2010 den ersten S-ICD in Deutschland implantierte. „Heute“, so weiß er mittlerweile aus eigener Erfahrung „kann man sagen, dass S-ICD immer häufiger implantiert werden.“ Ganz deutlich wird dies, wenn man die Zahlen betrachtet: Wurden 1992 in Europa 22 ICD pro Mio. Einwohner implantiert, waren es 2006 bereits 155 – mit steigender Tendenz. „Während nach einem überlebten Plötzlichen Herztod meist der ICD implantiert wird, ist der S-ICD für die Kolleginnen und Kollegen in der Vorsorgetherapie immer häufiger die erste Wahl.“ Auch das hat unter anderem mit den Elektroden zu tun. Sie verrichten zwar durchaus lange ihren Dienst, müssen aber im Laufe eines Lebens trotzdem ab und zu erneuert werden. Weil die dann stillgelegten Elektroden aber in aller Regel im Körper des Patienten verbleiben, wird es, vereinfacht ausgedrückt, mit der Zeit schwieriger, Platz für neue zu finden. Gerade für jüngere Patientinnen und Patienten, die ja hoffentlich noch ein langes Leben mit Defi vor sich haben, ist der S-ICD deshalb eine sehr gute Alternative. Hinzu kommt, dass man heute dank dieser Alternative sowie besserer medikamentöser Therapiefromen kritischer betrachtet, ob unbedingt ein transvenöser ICD implantiert werden muss.“ Dass es nach wie vor zahlreiche Indikationen und hinreichende Gründe dafür gibt, erläuterte Dr. Güner anhand von EKG-Abbildungen und Beispielen, in denen sich auch die Gäste des Arbeitskreises zum Teil wiederfinden konnten.

Entwicklungen in der Schrittmacher-Technologie

Vortrag zum Subkutanen ICDDr. med. Fatih Günner referierte im Arbeitskreis unterstützt durch Folien und vielen praktischen Demonstrationen. © I. Kamelle-Niesmann Immer wieder wird Dr. Güner gefragt, ob der S-ICD genauso gut funktioniere, wie ein ICD. „Was dessen Schutzwirkung bei Kammerflimmern betrifft, kann ich das nur bejahen, dies belegen Studien regelmäßig. Wahr ist aber auch, dass die Voraussetzungen bei den Patientinnen und Patienten gegeben sein müssen.“ Mit diesen Voraussetzungen meint Dr. Güner unter anderem, dass der S-ICD im Augenblick nur für Patientinnen und Patienten infrage kommt, die neben der Defi-Funktion keine Schrittmacherfunktion benötigen. Denn dies ist der zweite wichtige Unterschied: Im Gegensatz zu den ICD hat der S-ICD diese Funktion nicht. Noch nicht, sollte man besser sagen, denn auch in diesem Bereich schreitet die Technologie voran. „Menschen, die zusätzlich zu ihrem Schutz vor dem Plötzlichen Herztod auf elektrische Impulse für einen regelmäßigen Herzrhythmus angewiesen sind, konnten bisher nicht vom S-ICD profitieren. Mittlerweile gibt es aber Schrittmacher, die als sogenannte „Kardiokapsel“ über ein Katheterverfahren direkt in der Herzkammer verankert werden und von dort ihre Impulse abgeben. Auch sie sind also nicht mehr auf transvenöse Elektroden angewiesen. Für die Zukunft kann man deshalb davon ausgehen, dass ein S-ICD für noch viel mehr Menschen als heute die Therapiemethode der Wahl sein wird.“

Ob ICD oder S-ICD: Vor dem Hintergrund steigender Implantationen taucht immer wieder auch die Frage auf, ob insgesamt zu viele Defis implantiert werden. Auch Dr. Güner machte sie zum Thema. Seinen Gästen gab er dazu einige Denkimpulse mit, die er wie folgt zusammenfasste: „Einerseits ist die medizinische Forschung mittlerweile so differenziert, dass immer neue Risikokonstellationen für einen Plötzlichen Herztod entdeckt werden können. Betroffenen kann das ihr Leben retten. Parallel dazu schreitet auch die medikamentöse Therapie immer weiter fort. Man darf also durchaus fragen, ob es Bereiche gibt, in denen Medikamente Patienten und Patientinnen hinreichend weiterhelfen. Um sich aber eine medizinisch fundierte Meinung dazu zu bilden, bräuchte man dringend eine aktuelle, breitere Datenlage – denn für die wesentlichen Indikationen Herzinfarkt und Herzschwäche sind sie einfach zu alt. Wir brauchen weitere Kriterien der Risikoabschätzung. Das Herz-MRT ist hier ein sehr wichtiges Untersuchungsverfahren. Was die ethischen Aspekte betrifft, steht für mich als Mediziner fest: Ich möchte Leben retten und im Einvernehmen mit meinen Patienten und Patientinnen möglichst qualitätvoll erhalten.“