Jährlich implantieren Prof. Dr. Eckardt und seine Kolleg_innen am Universitätsklinikum Münster (UKM) rund 300 Defibrillatoren unterschiedlicher Bauweise. Etwa fünf solcher Geräte werden dort pro Jahr deaktiviert. Mit der größeren Verbreitung der Implantationen wird aber auch die Frage nach einer möglichen Explantation lauter. Klar ist, dass es darauf keine pauschale Antwort gibt. Klar wurde in Prof. Dr. Eckardts Vortrag auch, dass man keine pauschale Patientengruppe benennen kann, die nach einer Zeit auf einen ICD verzichten kann. Vielleicht so viel: Unmittelbar medizinische Gründe für eine Explantation gebe es wenige: diese seien zum Beispiel gegeben, wenn Patienten ein neues Herz bekommen oder wenn sie unter Infektionen leiden. Hier denke man jedoch auch immer über Reimplantationen oder ICD-Alternativen nach, sobald die Infektion überstanden sei.

So bildet die Schwere der Vor- und Begleiterkrankungen die wichtigste Basis für die Überlegungen. Führen müssen Arzt und Patient diese Überlegungen gemeinsam. Und auch wenn sie beim Arzt zu dem Schluss führen, dass eine Explantation vertretbar ist: die allerletzte Entscheidung darüber, so Prof. Dr. Eckardt, bleibe immer beim Patienten. Fühle der sich unsicher, werde es vermutlich keinen Arzt geben, der auf einer Entfernung eines ICD bestehe.

Wechsel eines ICD?

Ein voller Saal und ein aufmerksames Publikum: alle wollten wissen, ob und wann man darüber nachdenken darf, einen Defi zu entfernen.Ein voller Saal und ein aufmerksames Publikum: alle wollten wissen, ob und wann man darüber nachdenken darf, einen Defi zu entfernen.Die Technologie der intravenösen ICD entwickelt sich immer weiter und auch der S-ICD ist auf dem Vormarsch. 2010 wurde deutschlandweit der erste S-ICD in Münster implantiert. Bei dieser Technologie werden sowohl das Aggregat als auch die Elektroden direkt unter der Haut eingebracht. Das hat den Vorteil, dass die Elektroden nicht mit dem Herzen verwachsen können. Deshalb sei es bei einer Neu-Implantation sinnvoll, die Therapie mit einem S-ICD gegenüber der mit einem intravenösen ICD abzuwägen. An sich stelle die Weiterentwicklung der Gerätetechnologie aber in der Regel keinen allein hinreichenden Grund für einen Wechsel dar. Denn auch, wenn die Risiken sich verringert hätten, sei eine Operation unter Narkose nach wie vor nicht risikofrei. Und schließlich: Da bei einem intravenösen ICD das Infektionsrisiko der Elektroden nur bei zwei Prozent liege, sei es meist ungefährlicher, sie im Körper zu belassen, als sie zu extrahieren. Bei allen Überlegungen gelte aber auch hier, immer den erhofften Nutzen und die potenzielle Risiken sorgfältig abzuwägen.

Persönlichkeit des Patienten

Eine wichtige Rolle spielt auch die Persönlichkeit des Patienten. Denn neben seiner körperlichen Konstitution ist es wichtig, dass er sein Leben seelisch gut meistern kann. Manche Patienten fühlen sich mit einem ICD sicherer und gut begleitet, bei anderen ist es genau anders herum. Sie erleben das Tragen eines ICD als persönlichen Kontrollverlust. Wichtig sei deshalb, dass ICD Patienten sich nicht ausschließlich medizinisch helfen lassen, sondern auch seelische Unterstützung suchen. Ein gutes soziales Netzwerk, der Austausch in einer Selbsthilfegruppe wie der Defi-Liga und das Gespräch mit Therapeuten oder Psychologen unterstütze die Therapie enorm.

Die Deaktivierung eines Defis

Und schließlich gibt es auch die Situation, dass ein Patient nicht mehr weiter leben will und deshalb den ICD deaktivieren möchte. »Der Defibrillator dient dazu Leben zu erhalten.« so Prof. Dr. Eckardt. »Bevor so ein Gerät deaktiviert wird, führen wir mit dem Patienten und allen wichtigen Beteiligten ausführliche Gespräche.« Sehr alte oder sterbenskranke Menschen haben aber auch ein Anrecht darauf, dass ihr Leiden nicht unnötig durch einen implantierten Defibrillator verlängert werde.

Prof. Dr. Lars Eckardt ist Leiter der Abteilung für Rhythmologie im Department für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Münster (UKM)

 

Text: Birgit Schlepütz
Fotos: Ilona Kamelle-Niesmann