Die Nachricht, dass eine Elektrode (Sonde) entfernt werden muss, führt bei Defi-Patienten oft zu sorgenvollen Mienen. Zu viele Geschichten ranken sich um die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Richtig ist: Die Extraktion einer Sonde ist kein gängiger chirurgischer Eingriff. Deshalb sollte man sich dazu möglichst in die Hände von Operateuren an Herzzentren begeben, die viele solcher Eingriffe vornehmen. Eine von ihnen ist Prof. Dr. med. Brigitte Osswald. Die Fachärztin für Allgemeinchirurgie sowie Herz- und Thoraxchirurgie leitet die kardio-chirurgische Elektrotherapie im Johanniter-Krankenhaus Duisburg-Rheinhausen und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung mit der Extraktion von Elektroden (Sonden). Sie berichtete über die grundsätzlichen Anforderungen an eine Elektrode (Sonde) sowie über den konkreten Eingriff und seine medizinischen Rahmenbedingungen. Für die Technik war Josef Tholemeyer-Nöring als zweiter Referent des Abends zugeschaltet. Er ist Territory Manager bei der Medizingerätefirma Philips ( vormals Spectranetics) und zeigte unter anderem in einer animierten Illustration, wie moderne Laserverfahren Operateuren wie Prof. Dr. Osswald die Extraktion erleichtern. 

Sieben grundsätzlichen Anforderungen an eine moderne Elektrode:

  1. Biostabilität/ Biokompatibilität. Alle Materialien, die für die Elektroden verwendet werden, dürfen aufgrund ihres direkten Kontakts mit dem Gewebe keinen schädlichen Einfluss auf den Stoffwechsel erzeugen.
  2. Flexibilität: Elektroden müssen flexibel sein, um die Bewegungen des Menschen und innerhalb des Herzens mitzumachen, ohne Schaden zu nehmen, bzw. zu verursachen.
  3. Handhabung: Die Implantation von Elektroden sollte möglichst „einfach“ sein – von den Anschlüssen am Aggregat bis zur Verankerung in der Herzkammer.
  4. Eigenschaften: Elektroden unterscheiden sich in ihrem Aufbau entsprechend der Anforderungen teils erheblich voneinander. Wichtig ist, dass Patienten Elektroden erhalten, die bestmöglich mit den Funktionen ihres Aggregats kompatibel sind.
  5. Haltbarkeit: Je länger eine Elektrode hält, umso weniger besteht die Notwendigkeit zur Neuimplantation oder zur Extraktion.
  6. Effizienz: Alle Hersteller produzieren heute sowohl ICD-Elektroden mit einer als auch mit zwei Metallwendeln. Seit ca. 2012 gibt es neue Steckervarianten. ICD-Elektroden des „älteren Standards“ (DF-1) verzweigen sich vor den Eintritt in den Gerätestecker, während die neuere Generationen (DF-4) einen Stecker besitzt, der die Hochenergieanschlüsse in einem Stecker integriert. Beide Elektrodentypen gibt es mit eine oder zwei Metallwendeln. Für die Funktionalität des ICD hat sich herausgestellt, dass eine Wendel bei fast allen Patienten gleich effektiv im Vergleich zu zwei Metallwendeln ist. Der „neue“ Elektrodenstandard ist allerdings nach derzeitigem Stand nicht effektiver sind als die Vorgängermodelle.
  7. Zugfestigkeit: Elektroden sollten sich nicht durch Zugbewegungen, die etwa entstehen, wenn sie beim Defi-Wechsel vom Aggregat getrennt werden, lösen. Außerdem sollten sie durch eine ziehende Bewegung nicht reißen.

Jede Elektrode wird nach wie vor von Hand gefertigt und unterliegt vor der Auslieferung einer genauen Qualitätskontrolle. Rückblickend auf ihre Praxisjahre konnte Prof. Dr. Osswald sich nicht an einen Fall erinnern, bei dem eine Elektrode defekt ausgeliefert worden sei.

Die Operation aus chirurgischer Sicht

Wenn Professor Osswald eine Elektrode extrahiert, muss sie ihre Lage bestimmen und wissen, in welchem Zustand das Bindegewebe ist, das sich im menschlichen Körper mit der Zeit um jeden Fremdkörper bildet.

Oft ist diese Bindegewebsschicht dünn und durchsichtig, manchmal entwickelt sich aber auch (stellenweise) viel und festes Material. In anderen Fällen kann Bindegewebe auch verkalken oder mehrere Elektroden gleichzeitig umschließen. Vergleichsweise häufig bildet sich Bindegewebe an den Metallwendeln und an den Elektrodenspitzen im Herzinneren. Zur Lagebestimmung betrachtet und analysiert Prof. Dr. Osswald den Verlauf der Elektrode jeweils innerhalb der Herzstrukturen, im Bereich der Gerätetasche sowie in der Armvene und der oberen Hohlvene.

Indikationen für eine Operation

  • Gefährlich wird es für Patienten, wenn sich anstelle von Bindegewebe Bakterien an den Elektroden festsetzen und es zu Infektionen kommt. Dann ist eine Extraktion ebenso wie bei einem Durchbruch implantierter Anteile im Taschenbereich unvermeidbar und sehr dringlich.
  • Sobald „stillgelegte“ Sonden nicht mehr unauffällig sind, sondern etwa Probleme wie Arrhythmien hervorrufen, sollten sie entfernt werden.
  • Chronische Schmerzen sollten Defi-Patienten unbedingt untersuchen lassen.
  • Herstellerfirmen und Kliniken stehen in ständigem Kontakt. Kommt es bei einer relevant hohen Anzahl von Sonden zu Komplikationen oder Ausfällen, treten die Herstellerfirmen an die Kliniken heran und diese wiederum an ihre Patienten, um mit ihnen die Notwendigkeit der Extraktion zu besprechen.
  • Ob man stillgelegte, aber unauffällige, Elektroden im Körper belassen sollte, ist eine individuelle Entscheidung: Sobald sich allerdings vier und mehr Elektroden im Gefäßsystem befinden, steigt das Risiko einer Infektion. Hinzu kommt, dass die schiere Zahl der Elektroden die Vene nahezu verschließt. Würden sie extrahiert, könnte die Vene danach erneut genutzt werden.

Extraktionen, so erläuterte Josef Tholemeyer-Nöring im zweiten Teil des Abends, werden bezüglich ihrer Relevanz in drei Indikationsklassen eingeteilt. Sie sind entweder dringend (Klasse 1), mäßig (Klasse 2) oder schwach (Klasse 3). Die Einstufung in die Indikationsklassen entsteht jeweils im Vergleich zu einer alternativen Behandlung.

Operationsverfahren

Für die Entfernung von Elektroden nutzt Prof. Dr. Osswald zwei Verfahren, die im Monitoring mit einer Erfolgsquote von 68 Prozent. Die Funktionsweise Josef Tholemeyer-Nöring im Anschluss mithilfe von Illustrationen und Animationsfilmen erläuterte:

  • Das Kaltlaserverfahren mit Operationswerkzeugen wie dem GlideRight Laser Katheter wendet sie an, wenn sie eine Elektrode entfernen und zugleich andere funktionierende erhalten muss. Auch bei infizierten Elektrodenkörpern oder Defekten der äußeren Isolation wendet sie das Laserverfahren an. Voraussetzung dafür ist, dass die Bindegewebsschicht um die Elektrode herum nicht verkalkt ist.
  • Für das zweite Verfahren benutzt Prof. Dr. Osswald eine mechanische Rotationsschleuse wie den Tight Rail®: Er wird zur Entfernung einzeln liegender Elektroden eingesetzt sowie bei vermuteten oder festgestellten Kalkablagerungen. Hinzu kommen Extraktionen bei einem engwinkligen Elektrodenverlauf wie er etwa aufgrund verschlungener Venen oder bei Kindern vorkommt. Der Vorteil liegt dabei in seinem flexiblen Schaft, der großwinkligen Rotationseigenschaft seiner Klinge, der sicheren Abschirmung dieser Klinge sowie einer statischen Außenschleuse. Für die Subclavia-Region wurde zudem eine Variante entwickelt.

Zum Abschluss zeigt Josef Tholemeyer-Nöring zum Abschluss noch einen sogenannten Okklusions-Ballon. Er dient der zusätzlichen Absicherung des chirurgischen Eingriffs, indem er sich binnen Sekunden entfaltet und Blutungen stoppt, falls durch den Eingriff Verletzungen an der inneren Hohlvene entstehen sollten. 

MRT und CT mit neuen Elektroden und alten Aggregaten?

Eine immer wieder gestellte Frage bewegte im Anschluss an die Vorträge auch die Teilnehmenden des Online-Meetings: Kann ich mich, so ihre Frage, mit einer entsprechend tauglichen Elektrode neuerer Generation auch einem MRT oder einer CT-Untersuchung unterziehen? Die Antwort ist: Die Eignung der Elektrode alleine reicht nicht, damit dies unbedenklich geschehen kann. Zwei wichtige Voraussetzungen müssen außerdem erfüllt sein

  • Formal muss die Elektrode vom gleichen Hersteller sein wie das Aggregat.
  • Nicht nur die Elektroden müssen MRT-tauglich sein, auch das implantierte Aggregat muss diese Voraussetzung erfüllen und es dürfen keine stillgelegten Elektroden oder Elektrodenreste vorhanden sein.

 

Text: Birgit Schlepütz

Quellen:

Teilnahme am Online-Meeting,
Vortragscharts von Prof. Dr. med. Brigitte Osswald und Josef Tholemeyer-Nöring.