Die Homepage der Kerckhoff-Klinik nennt sogar Zahlen: 2021 wurden dort „183 Systementfernungen mit insgesamt 248 Sonden“ vorgenommen – eine große Anzahl von Eingriffen, für die es speziell ausgebildete Chirurginnen und Chirurgen wie PD Dr. Burger braucht. Die Herzschrittmacher- und Defibrillatorambulanz der Kerckhoff-Klinik gehört nach eigenen Angaben zu den deutschlandweit größten ihrer Art und bildet sogar „Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet weiter“.

Bevor PD Dr. Burger die Fragen der Teilnehmenden beantwortete, ging er auf die wesentlichen Indikationen für die chirurgische Entfernung von Aggregaten und Elektroden ein. Diese werden meist unumgänglich, wenn Infektionen auftreten und Keime in die Aggregattasche eindringen und/oder sich den Elektroden folgend auszubreiten drohen. Auf diese Weise können sie das Herz erreichen und hier eine lebensbedrohliche Infektion (Endokarditis) auslösen. Daher wird vor einer geplanten Elektrodenentfernung mithilfe einer Ultraschall-Untersuchung geklärt, wie weit eine Infektion bereits fortgeschritten ist. Hierzu wird durch die Speiseröhre eine transösophageale Echokardiographie (TEE) durchgeführt, um das Ausmaß von Infektionen feststellen und Aufschluss darüber zu erhalten, ob auch Herzklappen von der Infektion betroffen sind. Die Untersuchung geschieht unter Kurzzeitnarkose und ist vergleichbar mit einer Magenspiegelung.

Eine weitere Indikation liegt vor, wenn ein Defi chronische Schmerzen verursacht. Dies kann der Fall sein, wenn das Aggregat zu nah am Schlüsselbein oder dem Schultergelenk liegt oder dahin verrutscht ist. Auch können Schmerzen entstehen, wenn eine Elektrode zu dicht an den Nervensträngen des Halses vorbeiführt oder eine Elektrode zu mittig unter dem Schlüsselbein eingebracht wurde. Hierbei kann es zu einem „Wipp-Effekt“ des Schlüsselbeins kommen wobei die Elektrode zum Hebel wird (Hypomochlion). So können sich Schmerzen am Schulterdach oder dem kopfwärtigen Brustbein erklären. Ebenfalls kann die Entfernung oder Verlagerung von Aggregaten oder Elektroden bei Krebspatient*innen indiziert sein, wenn bspw. Tumore „im Weg sind“ und eine Strahlentherapie ansteht. Je nach der Lokalisation des Tumors muss das Aggregat dann möglicherweise auf die gegenüberliegende Körperhälfte verlagert werden. An dieser Stelle gab es aus dem Plenum zahlreiche Fragen zu dem Thema Defi und Magnetresonanztherapie (MRT), so dass PD Dr. Burger einen kleinen Exkurs zum Thema machte:

Exkurs: MRT mit Defi?

Da Defibrillatoren durch einen starken Magneten ausgeschaltet werden und insbesondere sich die Elektrodenspitzen unter dem starken Magnetfeld erwärmen können, galt eine MRT-Untersuchung für Defi-Patientinnen und -Patienten analog zu Herzschrittmacherpatienten lange Zeit als ausgeschlossen. In jüngerer Zeit werden jedoch MRT-taugliche transvenöse Defis von allen Herstellern hergestellt. Jemand, der oder die heute einen ICD erhält, erhält somit in der Regel auch ein MRT-taugliches Gerät. Auch S-ICD Systeme sind für 1,5 Tesla MRT-Untersuchungen zugelassen und somit MRT-fähig.

Für ältere Implantate ist dies etwas undurchsichtiger. Voraussetzung, dass auch diese als MRT-fähig bewertet werden, ist einerseits, dass alle implantierten Komponenten (Elektroden und Aggregat) von einem Hersteller und von diesem in der Kombination auch als MRT-tauglich eingestuft wurden. Leider verwehren insbesondere inaktive alte Elektroden eine MRT-Untersuchung, da sich diese während einer Untersuchung stark erwärmen könnten. Andererseits wurden inzwischen zahlreiche alte Elektroden „nachträglich“ als MRT-kompatibel bewertet und so ist es durchaus möglich, dass ein Patient mit einem Aggregatwechsel ein MRT-fähiges System erhalten kann. Die notwendigen Untersuchungen und Bewertungen für eine MRT-Freigabe werden durch die Herstellerfirmen durchgeführt. Hierbei untersuchen diese natürlich nur ihre eigenen Produkte und so kann es sein, dass ein System, welches aus MRT-fähigen Komponenten verschiedener Hersteller besteht, dennoch keine generelle MRT-Freigabe erhält, da es für diese Kombination keine Untersuchungen gibt.

Elektroden extrahieren

Eine Indikation zur Extraktion von Elektroden ist auch bei mechanischen Problemen der Elektroden gegeben. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Elektroden gegeneinander oder gegen das Aggregat schleifen und so die Isolierung zerrieben wird, wenn Elektrodenleiter brechen und defekt sind oder wenn schon zu viele Elektroden in ein Gefäß eingebracht wurden. Ganz gleich, welche Ursache für die Probleme an den oder mit den Elektroden verantwortlich ist: Müssen sie extrahiert werden, kommt es darauf an, wie stark sie bereits mit dem Gewebe verwachsen sind. Je länger sie sich im Körper befinden, umso stärker ist in aller Regel die Verwachsung.

  • Ist die Elektrode weder fragmentiert noch zu sehr mit dem Gewebe verwachsen, versucht man zunächst, sie durch einen mechanischen Zug zu entfernen. Dazu legt man die Elektrode frei, führt einen Führungsdraht in diese ein und verankert diesen in der Elektrodenspitze. Dadurch kann man mechanischen Zug ausüben, ohne dass sich der Elektrodenleiter entfädelt oder reißt.
  • Gelingt es nicht, die Elektrode allein durch mechanischen Zug zu entfernen, kann eine laser- oder fräsengestützte Sondenextraktion eine Option darstellen. Dabei wird entweder ein Excimer-Laser oder eine Extraktionsfräse wie ein Strohhalm über die Elektrode gestülpt und dann mit Hilfe dieser Instrumente bestehende Verwachsung gelöst. Auf diese Weise wird die Elektrode stückweise aus dem Narbengewebe gelöst und nach und nach in das Extraktionsinstrument aufgenommen und letztlich vollständig extrahiert.
  • Fragmentierte Elektroden, deren Extraktion nur in mehreren Teilen möglich ist, können mitunter über einen zusätzlichen Leistenzugang und mithilfe spezieller Lasso-Katheter dennoch entfernt werden.
  • Waren alle vorbeschriebenen Methoden nicht erfolgreich oder ist eine Elektrode fragmentiert, kann in Ausnahmefällen auch eine offene Extraktion unter Vollnarkose notwendig werden. Wie üblich in der Herzchirurgie, sind Patient*innen hierbei an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Ist auch während einer solchen Operation eine Stimulation notwendig, geschieht dies über extern angebrachte Elektroden an der Außenseite des Herzens.

Zum Hintergrund

Insgesamt hat die Entfernung kardialer Aggregate und Elektroden in den vergangenen Jahren zugenommen. Allerdings gab es in Deutschland bis vor Kurzem keine einheitlichen Standards dafür, wer diese Eingriffe in welchen Einrichtungen und mit welchen technischen Voraussetzungen vornehmen kann oder sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) daraufhin ein Konsensuspapier mit Leitlinien erarbeitet, die fachbereichsübergreifende Standards zur Durchführung solcher Eingriffe formuliert. Hier ein Zitat aus dem Bericht, dass deutlich macht, welche Kriterien und Standards demnach alleine für die Kliniken gelten:

 „Sondenextraktionen sollten nur in einer Klinik angeboten werden, die sehr erfahren auf dem Gebiet der kardialen Device-Therapie ist und eine hohe Fallzahl an Herzschrittmacher-, ICD- und kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)-Implantationen vorweisen kann. In dem Zentrum müssen mindestens 2 qualifizierte Ärzte mit ausreichender Erfahrung in der transvenösen Sondenextraktion (> 40 Sonden) arbeiten, wobei mindestens ein erfahrener Operateur im Haus und bei der Prozedur anwesend sein muss. Das Zentrum sollte ein Minimum von 20 Sondenextraktionen bei mindestens 15 Patienten im Jahr durchführen. Für ausgewiesene Ausbildungszentren gilt eine Mindestanzahl von 30 Prozeduren pro Jahr. Sondenextraktionen dürfen nur in einem Haus mit Herzchirurgie durchgeführt werden, wenn eine Elektrode vor > 1 Jahr implantiert wurde, um potenziell lebensbedrohliche Komplikationen mit der Notwendigkeit zur Notfallthorakotomie behandeln zu können. Unabhängig vom Anästhesieverfahren (Intubationsnarkose oder Analgosedierung) sollte immer ein anästhesiologischer Support im Notfall verfügbar sein.“ 1

Nachzulesen ist das gesamte Konsensuspapier, an dessen Entwicklung auch PD Dr. Heiko Burger beteiligt war.

 

Quellen:

Arbeitskreis mit PD Dr. Burger

www.kerkhoff-kliniken.de

1 Tilz, Roland R.; Bosch, Ralph; Butter, Christian; Kuck, Karl-Heinz; Richter, Sergio; Sommer, Philipp; Hakmi, Samer; Hanke, Thorsten; Knaut, Michael; Starck, Christoph; Burger, Heiko: Empfehlungen zur Sondenextraktion – Gemeinsame Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG)

 

Text: Birgit Schlepütz

Foto: Ilona Kamelle-Niesmann