Sie haben andere Grunderkrankungen

Sebastian Falke. © I. Kamelle-NiesmannSebastian Falke. © I. Kamelle-NiesmannGrundsätzlich kann man sagen, dass die meisten Defi-Patienten eher ältere Menschen sind, die unter erworbenen Herzkrankheiten mit einem erhöhten Risiko für den Plötzlichen Herztod leiden. Bei älteren Menschen sind deshalb am häufigsten Durchblutungsstörungen des Herzmuskels mit hierdurch bedingter Herzschwäche ursächlich für die Implantation eines Defis. Erworbene Herzkrankheiten entwickeln sich meist über Jahre und manifestieren sich meist in höherem Alter. Bei jungen Menschen führen vor allem genetische Erkrankungen oder angeborene Herzfehler zu einer Implantation. Mittlerweile sind viele dieser Erkrankungen bekannt und können gut diagnostiziert werden. Dennoch bleibt bei ca. 10 Prozent der jungen Patienten die Ursache eines überlebten Plötzlichen Herztods, der eine Defi-Versorgung notwendig macht, unklar. Die Häufigkeit der Versorgung gibt älteren Menschen mit Defi einen Vorteil: Sie sind nach wie vor die Mehrheit der Patient*innen und werden dies im Zuge des demografischen Wandels wohl bleiben. Dies bedeutet, dass sie aufgrund ihrer schieren Menge intensiver erforscht sind, als jüngere Menschen mit Defi. Außerdem sind die zur Verfügung stehenden Produkte der Industrie am häufigsten für diese Patientengruppe ausgelegt.

Sie wachsen häufig noch

Offensichtlich sind die körperlichen Unterschiede zwischen jungen und älteren Patientinnen und Patienten: Will man etwa Kindern einen Defi implantieren, ist das nicht einfach, da sie zum Beispiel viel kleinere Venen haben als Erwachsene. Da es (noch) keine Kinder-Defis gibt, müssen die Aggregate für Kinder in ihrer Leistung reduziert werden. Darüber hinaus sind sie im Verhältnis zur Körpergröße von Kindern teils so groß, dass sie z.B. im Bauchraum implantiert werden müssen.

Sie tragen (oft) andere Defis

Kein Defi hält ewig. Da aber junge Patienten eine wesentlich längere Lebenserwartung haben, als ältere Menschen, erhalten sie nach Möglichkeit einen S-ICD oder neuerdings einen Extravaskulären ICD (EV-ICD). Beide Systeme haben den Vorteil, dass ihre Elektroden nicht intravenös in die Herzkammer geführt werden. Bei Problemen lassen sie sich dadurch einfacher entfernen als intravenöse Elektroden. Außerdem können viele gefäßbezogene Komplikationen erst gar nicht auftreten. Beim S-ICD liegen die Elektroden auf der Außenseite des Brustkorbs unter der Haut. Nachteil des S-ICD ist, dass er keine Herzschrittmacherfunktion erfüllen kann. Mit dem Extravaskulären ICD (EV-ICD) ist ein neues Defi-System marktreif, bei dem die Elektrode direkt unter das Brustbein und damit nah am Herzen implantiert wird. Vorteilhaft ist dies, weil hiermit eine Herzschrittmacherstimulation möglich ist, das System vergleichsweise klein ist und im Vergleich zum S-ICD weniger Energie verbraucht. Das erhöht die Langlebigkeit der Batterie. In Deutschland gibt es bislang sechs Standorte, an denen dieses neue Defibrillator-System implantiert wird. Dazu gehört unter anderem das Universitätsklinikum Münster, in dem erstmals im Frühjahr 2024 ein EV-ICD implantiert wurde. Teilweise sind insbesondere bei Kleinkindern individuelle Lösungen mit Einbringen von Defi-Kabeln auch an den Herzbeutel oder das Rippenfell notwendig, hierbei handelt es sich aber um Einzelfälle.

Sie haben eine höhere Herzfrequenz

Kinder und junge Menschen haben meist eine höhere Herzfrequenz als Erwachsene und ältere Patient*innen. Bei ihnen ist deshalb das Risiko einer inadäquaten Therapie höher und die individuelle Programmierung des Defis schwieriger.

Sie sind aktiver

Das Aktivitätsniveau von jungen Defi-Patient*innen ist in aller Regel höher, als bei älteren Menschen. Sie bewegen sich mehr, sind sportlich aktiver, gehen tanzen, schwimmen und vieles mehr. Was aus der Perspektive der Herzgesundheit und Lebenserwartung gut ist, beansprucht allerdings das „Material“ ihrer Defis stärker, als bei weniger aktiven Menschen. Auch hier schließt sich der Kreis zu den Defi-Systemen, die für junge Patienten aufgrund ihrer Lebenserwartung und ihres Lebensstils belastbarer sowie hinsichtlich ihrer Komplikationen einfacher und besser zu wechseln sein müssen.

Wo gibt es Informationen?

Abschließend wurden Hinweise gegeben, wo Patienten überall Informationen finden können. Ganz vorne auf der Empfehlungsliste stand natürlich das Gespräch mit den Kardiolog*innen der implantierenden Klinik sowie anschließend mit den niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen in der betreuenden kardiologischen Praxis. Auch die Herstellerfirmen veröffentlichen Gebrauchs- und Warnhinweise, die man auf ihren Internetseiten lesen und oft sogar als Broschüren bestellen oder herunterladen kann. Wer sich gezielt mit Krankheitsbildern, Studien oder Behandlungsleitlinien beschäftigen möchte, findet dazu unter anderem über Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Empfehlenswert seien zudem Informationen der Deutschen Herzstiftung, von Krankenkassen oder – last but not least: Patient*innen-Organisationen wie die Defi-Liga. Sie biete nicht nur Raum für Gespräche, sondern sei auch Herausgeberin des Buchs: „Gut leben mit dem Defibrillator – Wie der neue Alltag mit dem Defi gelingt“, das 2021 im humboldt Verlag erschien.

 

Quelle:

Charts und Arbeitskreis Sebastian Falke

Text: Birgit Schlepütz

Foto: Ilona Kamelle-Niesmann