Transvenöse ICD gelten nach wie vor als Goldstandard zur Primär- und Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztodes. Allerdings müssen dazu Elektroden durch das Gefäßsystem geführt und im Herzen platziert und verankert werden. Beim EV-ICD hingegen liegen sowohl das Aggregat als auch die Elektroden unter der Haut und außerhalb des Herzens und wachsen somit nicht im Herzen ein. Es gibt bereits seit vielen Jahren ein subkutanes ICD-System der Fa. BSX, welches jedoch nur limitierte Funktionalitäten besitzt und durch die subkutane Lage deutlich mehr Schockenergie benötigt als ein transvenöses ICD-System. Aus einem erhöhten Energiebedarf ergibt sich dann auch die notwendige Batterie- und Gerätegröße. Der S-ICD ist deshalb wesentlich größer als ein transvenöser ICD. Der Anspruch von Medtronic war in der Entwicklung mit dem extravaskulären System ähnliche Funktionen und Energiebedarf zu erreichen, wie bei den transvenösen Systemen. Der EV-ICD besitzt die gleiche Gehäuseform und Größe wie die transvenösen ICD und besitzt vergleichbare Funktionalitäten wie die Transvenösen Systeme.

Unter anderem hat der Aurora EV-ICDTM von Medtronic im Unterschied zum S-ICD zwei neue Funktionalitäten: Zum einen kann er anhaltend schnelle Herzrhythmen durch eine Überstimulation beenden helfen (ATP= Antitachykardes Pacing) und kann so einen schmerhaften Schock in vielen Fällen vermeiden. Zum anderen stimuliert er das Herz bei signifikanten Aussetzern (Pause Prevention).

Die Zulassung neuer Produkte braucht ihre Zeit

„Bis ein neues medizinisches Produkt zugelassen wird und auf den Markt kommen darf, vergehen meist Jahre“, erläuterte Frau Sobotta. Das Modell Aurora EV-ICDTM zum Beispiel hat von der Idee bis zur Marktreife über zehn Jahre gebraucht. Begonnen habe man vor 2012 damit, in vorklinischen Studien zunächst das Konzept zu prüfen. Ab 2015 seien dann Machbarkeitsstudien zur Defibrillation, zum Pacing sowie zum Sensing hinzugekommen. Zudem wurde ein neues Elektrodendesign für die speziellen Lage unter dem Sternum entwickelt und neue Algorithmen evaluiert. 2018 startete dann eine Pilotstudie mit der Erstanwendung beim Menschen. Ab September 2019 wurde aufgrund der positiven Erfahrungen der Pilotstudie eine größere Studie in ausgewählten Kliniken durchgeführt, um die Sicherheit des Systems zu prüfen. Nach der Auswertung der Daten werden diese üblicherweise bei den Zulassungsbehörden eingereicht. Nach ausgiebiger Prüfung durch die Zulassungsbehörden und Zertifizierungsstellen wurde dann das neue EV-ICD-Modell im August 2023 für den Markt zugelassen.

Marktüberwachung

Sobald ein Medizinprodukt auf den Markt kommt, wird es unter anderem durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte, neutrale Prüfstellen sowie verschiedene Landesbehörden überwacht. „Auch wir Hersteller“, so Frau Sobotta, “sind verpflichtet, die Sicherheit und Leistungsfähigkeit unserer Produkte im täglichen Gebrauch zu überwachen. Wir müssen etwa schauen, ob sie wie vorgesehen verwendet werden sowie bislang unentdeckte Risiken herausfinden und einschätzen. Für diese so genannten Post-Market Surveillance (PMS) sammeln wir aus verschiedenen Quellen möglichst viele Informationen über die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit unserer Produkte.“ Diese Quellen sind:

  • die aktive Langzeitbeobachtung, bei der jedes implantierte Produkt von der Implantation über alle Nachsorgeuntersuchungen hinweg bis zur Explantation lückenlos beobachtet wird.
  • Das telemedizinische Überwachungssystem, das als digitale Schnittstelle zur Fernüberwachung eine ergänzende, anonyme Analyse von Patient*innen-Daten ermöglicht. Auf diese Weise konnten bereits über 241 Millionen Übertragungen von mehr als 1,9 Mio. Patient*innen aus 18.000 Kliniken in 83 Ländern ausgewertet werden
  • die Analyse zurückgesendeter Produkte, bei der einzelne Komponenten konkret untersucht werden. Weltweit werden pro Woche zum Beispiel 1.800 bis 2.000 Aggregate oder Elektroden zurückgesendet.

 „Früher“, so Frau Sobotta auf eine entsprechende Frage aus dem Teilnehmerkreis, „wurden die Defibrillatoren bei der Implantation tatsächlich bezüglich ihrer Effektivität, Kammerflimmern zu terminieren, getestet.“ Das heißt, man löste unter OP-Bedingungen ein Kammerflimmern aus, um zu prüfen, ob der Defi die Tachykardie auch beenden kann. „Das ist heute nicht mehr der Fall, denn auch das haben Studien ergeben: Für die Patient*innen hat dies keinen medizinischen Vorteil.“ Was jedoch bis heute gilt: Falls Mitarbeitende wie Frau Sobotta auch nur den kleinsten Hinweis erhalten, dass etwas mit einem Produkt nicht stimmen könnte, sind sie verpflichtet, einen Report zu schreiben, damit man seitens des Unternehmens dem Thema nachgehen kann. 

Die Ergebnisse des Monitorings können Patient*innen übrigens in Standardqualitätsreports einsehen – denn seit 1974 beobachtet Medtronic die Performance seiner Produkte nicht nur über den gesamten Lebenszyklus hinweg, sondern veröffentlicht die Daten auch.

https://wwwp.medtronic.com/productperformance/past-reports.html

Seit 2007 sind solche Standardqualitätsreports von der American Heart Association für die gesamte Industrie vorgegeben.

Wie ein kardiales Implantat entsteht: der Film

Die Geschichte von Medtronic, die der Film über die Produktion von kardialen Implantaten kurz anriss, begann 1949 wie so viele US-amerikanische Gründungsgeschichten in einer Garage. Die Garage von Earl Bakken und seinem Schwager Palmer Hermundslie stand in Minneapolis, wo sie sich auf die Reparatur medizinischer Elektronik spezialisierten und das Unternehmen Medtronic nannten. Als Medtronic 1996 den ersten implantierbaren Kardioverter-Defibrillator einführte, war das Unternehmen längst zu einem weltweit operierenden Konzern herangewachsen.

Die meisten Defis, die in Deutschland eingesetzt werden, produziert Medtronic in der Schweiz, einzelne Komponenten stammen auch aus anderen Ländern, allerdings nicht aus China. Das Fazit des Films: Dank der technischen Entwicklung sind zwar die Aggregate heute kleiner als früher, die Batterien langlebiger und die Funktionen vielfältiger. An der grundsätzlichen Produktion eines kardialen Implantates hat sich jedoch bis heute nicht viel geändert. Es wird immer noch geschraubt, verschweißt, getrocknet und sterilisiert, bis nach rund fünf Tagen ein Produkt entstanden ist, das später einmal Leben retten kann.

Nach einem anschließenden regen Austausch mit den Teilnehmenden bedankten sich die Vorsitzende der Defi-Liga, Angelika Däne, sowie Meeting-Moderator Georg Duchna bei Frau Sobotta für ihre höchst informativen Ausführungen.

 

Quellen: Online-Gesprächskreis, 21.09.2023 und Medtronic
Text: Birgit Schlepütz