Komplexe Technik braucht Platz

Die Unterschiede beginnen schon bei der Körpergröße. Denn die komplexe Technik eines Defibrillators braucht Platz. Platz, der im Körper eines Babys oder eines Kindes viel enger bemessen ist, als bei einem Erwachsenen. Zwar richtet sich die Auswahl der Technik immer an der Erkrankung aus, berücksichtigt aber nach Möglichkeit auch die Körpergröße. So gibt es junge Patienten, denen erst einmal ein – kleinerer – Defibrillator helfen kann, bevor sie ein Gerät in normaler Größe bekommen. Kleine Geräte seien aber nicht zwangsläufig die bessere Wahl, so Dr. Larbig. Denn sie verfügen in der Regel über eine kürzere Batterielaufzeit – was bedeutet, dass die Patienten häufiger operativen Eingriffen ausgesetzt sind. Im Hinblick auf die Tragedauer und weil die Elektroden leichter austauschbar seien, ist bei jüngeren Patienten auch zu überlegen, ob – zunächst oder dauerhaft – ein subkutan implantierter Defibrillator (S-ICD) helfe. Bei allen Komplikationen, die mit der Defibrillatortherapie verbunden sind, darf man den Nutzen –den effektiven Schutz vor dem plötzlichen Herztod- nicht vergessen. Die Defibrillator-Technologie ist durch ihre ständige Weiterentwicklung heutzutage auf sehr hohem Niveau.

Mobilität und Bewegungsfreiheit

Bei Babys, Kindern und Jugendlichen sind die Bedürfnisse nach Mobilität sehr differenziert. Während ein Baby erst einmal krabbeln will, möchten Kinder und Jugendliche spielen, toben oder sportlich aktiv sein. Der jüngste Teilnehmer der Tagung konnte dies sicher gut nachvollziehen, denn er ist im Teenageralter und treibt gerne Sport. Grundsätzlich, so Dr. Larbig, sei der Sport für junge Defibrillator-Patienten möglich – bei der Frage einer Teilnehmerin, ob sie auch Boxen dürfe, blieb Herr Dr. Larbig jedoch skeptisch. Die Gefahren einer Verletzung und der Belastung im Brustbereich seien bei dieser Sportart sicher zu hoch. Erweitert man den Begriff der Mobilität um den der Bewegungsfreiheit, ergaben sich für die Teilnehmer_innen schnell weitere Fragen: Wie steht es mit Konzertbesuchen oder lauter Musik? Wie verhalte ich mich am Flughafen und wie wirkt sich die Diebstahlsicherung im Kaufhaus auf meinen Defibrillator aus? Und auch: Kann ich eigentlich Achterbahn fahren?

Dies, so Dr. Larbig, sei zwar vermutlich eher ein rechtliches, als ein elektrisches Problem. Trotzdem wirkten bei einer Achterbahnfahrt enorme Kräfte auf den Körper. Sie würden zwar durch Sicherungsgurte aufgefangen – diese belasteten allerdings genau den Brustbereich, in dem der Defibrillator säße. Für Konzertbesuche hatte ein Teilnehmer einen simplen, aber selbst erprobten Rat:»Jacke drüber und gut ist.« Auf einen ausreichenden Abstand zu grossen Lautsprechern sollte man aber achten. An Metalldetektoren im Flughafensicherheitsbereich wiederum, so Dr. Larbig, solle man den Geräteausweis vorzeigen, da das Metallgehäuse der Defibrillatoren Alarm auslöst. Für Nacktscanner und Diebstahlsicherungen gab er einen Rat, der eigentlich für alle Situationen gelte, in denen ein ICD-Patient Zweifel habe: »Scheuen Sie sich nicht, zu sagen, dass Sie besonders zu behandeln sind. Dieses Recht dürfen und müssen Sie einfordern.«

Kardiale Grunderkrankung

Dr. Robert Larbig sprach mit jungen Defi-Träger_innen über die Besonderheiten dieser Patientengruppe. Angelika Däne dankte ihm dafür - und auch dafür, dass er spontan für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war. Dr. Robert Larbig sprach mit jungen Defi-Träger_innen über die Besonderheiten dieser Patientengruppe. Angelika Däne dankte ihm dafür - und auch dafür, dass er spontan für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war. Junge Menschen mit einer „elektrischen Erkrankung“ des Herzens wie dem Brugada-Syndrom oder dem langen-QT-Syndrom sind ganz besondere Patienten. Auch Kinder mit Down-Syndrom haben mitunter angeborene Herzfehler. Bei diesen Kindern kann ein ICD eine lebensrettende Therapie sein. In der Begleittherapie komme es deshalb wesentlich darauf an, so Dr. Larbig, dass alle Ärzte und Abteilungen, mit denen diese Patienten im Laufe ihres Lebens zu tun haben, eng verzahnt zusammenarbeiten.

Ästhetik

Eine Teilnehmerin berichtete über ihre guten Erfahrungen mit einem S-ICD, sprach aber auch  ästhetische Empfindlichkeiten an. Denn sowohl die Implantation eines normalen ICD als auch eines S-ICD hinterlassen Narben, die lange sichtbar bleiben. Den S-ICD nimmt man außerdem visuell wahr, weil er unmittelbar unter der Haut platziert wird. Daran, so die Teilnehmerin, habe sie sich erst gewöhnen müssen. Und Dr. Larbig konnte ihr bestätigen, dass er dieses »sich gewöhnen müssen« auch von anderen jungen Patientinnen kennt. »Ich habe den Wunsch«, so Dr. Larbig abschließend, »dass Sie den Defibrillator als „Versicherung“ begreifen.« Den pragmatischen Fragen nach zu urteilen, bei denen die Lebensfreude der Teilnehmerinnen deutlich zu spüren war, haben sie diesen Wunsch sicher längst verinnerlicht.

Dr. Robert Larbig ist Facharzt für Innere Medizin und Assistenzarzt im Department für Kardiologie, Abteilung für Rhythmologie im Universitätsklinikum Münster (UKM)

Hören Sie hier auch seinen Interviewbeitrag (mp3-Datei):

Text: Birgit Schlepütz
Fotos: Ilona Kamelle-Niesmann