Defi-Patienten und Schwerbehindertenausweis

Das erste größere Thema des Nachmittags betraf den Schwerbehindertenausweis. Mit der Implantation eines Defis geht in aller Regel ein Grad der Behinderung (GDB) von mindestens 50% einher. Kommen weitere Krankheiten hinzu, kann sich der GDB weiter erhöhen. Defi-Patienten erhalten also relativ sicher einen Schwerbehindertenausweis. Allerdings erhält man ihn nicht automatisch, sondern muss ihn beantragen. Viele Details rund um dieses Thema haben wir schon einmal in einem dreiteiligen Fokus-Artikel „Schwerbehinderung“ zusammengetragen. Hier finden Sie die Links zum Nachlesen:

Operationen unter Corona-Bedingungen

 Auf Nachfrage berichtet Dr. Reinke, dass im UKM während der Corona Zeit bis auf wenige Aggregatswechsel praktisch keine Operationen im Zusammenhang mit einem Defi verschoben werden mussten. Aufgrund der vergleichsweise entspannten Situation im Münsterland gab es im UKM dazu keine Notwendigkeit. Hinzu kam, dass bei Rhythmusstörungen eine Operation natürlich schwerlich aufgeschoben werden kann. Insgesamt habe es im letzten Jahr am UKM keine Reduktion der Eingriffszahlen gegeben. Die Arbeit sei zwar wegen der geringeren Bettenkapazitäten zwischenzeitlich anstrengend gewesen, habe aber gut funktioniert. 

Batterielaufzeiten

Die Leistung und die Laufzeiten von Batterien sind für Defi-Patienten immer wieder ein Thema –  schließlich geben sie die Energie, um rettende Schocks einzuläuten. Dr. Reinke versteht deshalb auch die Grundangst von Patienten vor einer nicht mehr ausreichend geladenen Batterie in ihren Aggregaten. Doch selbst wenn es zu mehrfachen Schocks hintereinander kommen sollte, entlädt eine Batterie sich nicht plötzlich komplett. Sei eine Batterie nach Mehrfachschocks schwach, zeige sie dies an, so dass man im Einzelfall überlege, das Kontrollintervall für das Aggregat zu verkürzen. Ähnliches gilt für Patienten mit einem Schrittmacher. Auch sie benötigen taugliche Batterien in ihren Schrittmachern – vor allem dann, wenn sie zu einem sehr hohen Prozentsatz auf seine elektrischen Impulse angewiesen sind. Dr. Reinke konnte dazu beruhigendes beitragen: Sofern sich die Restlaufzeit linear zu den Berechnungen verhalte, verkürze man die Kontrollintervalle entsprechend. Wie bei den Batterien für die Defi-Aggregate komme es hier nicht auf ein paar Monate an. Sobald der Wechsel angezeigt werde, gelte immer noch eine vom Hersteller garantierte Restlaufzeit.

ICD und SICD: Wie werden Elektroden gelegt?

Der transvenöse ICD hat direkten Kontakt zum Herzen und zum Gefäßsystem, da seine Elektrode in der rechten Herzkammer fixiert wird. Um diese Elektrode zu legen, existieren zwei Methoden: Zum einen nutzt man im Schulterbereich zwischen der Muskulatur und dem Fettgewebe die Vena cephalica. Dabei handelt es sich um eine verzichtbare Vene, die zur Hand hin zugebunden wird, so dass vom Arm kein Blut mehr fließt. Zum Herzen hin wird sie dann zwei Millimeter weit aufgeschnitten, um die Elektrode einzuführen, und anschließend zugenäht. Diese Variante ist eleganter als die zweite Methode, bei der man die Schlüsselbeinvene punktiert und die Elektrode durch eine Schleuse einführt. Hinsichtlich ihrer Anschlüsse sind alle Elektroden weltweit gleich und deshalb kompatibel mit allen Aggregaten. Einmal gelegte Elektroden verbleiben dann im Körper der Patienten, wenn sie aufgrund eines Defekts durch eine neue ersetzt werden müssen und das Risiko einer Entfernung als zu hoch eingeschätzt wird. Die Erfahrung der Defi-Therapie hat gezeigt, dass dies innerhalb von zehn Jahren bei rund zehn Prozent aller ICD-Träger vorkommt. Insbesondere für junge Menschen bietet der S-ICD eine Alternative; bei ihm wird die Elektrode direkt unter der Haut implantiert, so dass das Herz unberührt bleibt. 2010 implantierte Dr. Florian Reinke (mit Prof. Dr. Lars Eckardt) am Universitätsklinikum Münster den ersten S-ICD in Deutschland. Elf Jahre haben Mediziner weltweit umfangreiche Erfahrung mit der Implantation und der Verträglichkeit von S-ICD gesammelt. Jedes Jahr, so Dr. Reinke, nehme der Anteil der Implantationen um aktuell rund 2,5% zu.

Wohin geht die Telemedizin?

Die Entwicklungen in der Telemedizin schreiten voran und jedes Mal gibt es Neues zu darüber berichten. Eine Konstante allerdings bleibt: Die Telemedizin ist nach wie vor kein Notfallsystem und ersetzt nicht den regelmäßigen persönlichen Besuch beim Kardiologen. Da die Krankenkassen mittlerweile fünf Datenübertragungen pro Jahr unterstützen, hilft die Telemedizin den Patienten aber, die Kontrollintervalle zu verdichten. So können sie zum Beispiel auf diese Weise den Batteriestatus enger im Blick halten. Normalerweise werden die Daten zu einem bestimmten (vereinbarten) Zeitpunkt „eingezogen“. Es gibt auch Hersteller, die es Patienten ermöglichen, selbst eine Datenübertragung zu initiieren. Kardiologen sind dann allerdings nicht zwingend in der Pflicht, die übertragenen Daten zeitnah zu begutachten . Dies hängt immer von den jeweiligen Vereinbarungen ab, die Patienten aus diesem Grund vorab genau kennen und erfragen sollten. So viel sei aber auch gesagt: Sollten am Defi relevante Gerätefehler auftreten, meldet er dies mit Warnsignalen. Besteht der Verdacht auf einen medizinischen Notfall, rufen Sie den Notarzt!!

Dr. Reinke schätzt, dass die Kosten für die Telemedizin künftig immer häufiger von den Krankenkassen übernommen werde. Man könne so viel früher reagieren und prophylaktisch aktiv werden. Dies sei nicht nur besser für den Patienten, sondern entlaste langfristig auch die Krankenkassen.

Studien zeigen mittlerweile, dass bei der Telemedizin die Datensicherheit sowie die funktionale Gerätekontrolle gewährleistet sind. Anders als früher sind die Geräte seit drei Jahren auch für niedergelassene Kardiologen rezeptfähig. In der Ambulanz des UKM ist aktuell ein Mitarbeitender ganztägig damit beschäftigt, Übertragungsprotokolle zu prüfen. Da das Telemonitoring explizit kein Notfallsystem ist, gilt sowohl für viele Kliniken als auch für niedergelassene Kardiologen: Am Wochenende werden die Protokolle nicht geprüft. Zahlreiche Kardiologen bieten das Telemonitoring derzeit (noch) nicht an, weil jede Herstellerfirma eigene Programme hat, die regelmäßig aktualisiert werden müssen. Die Hersteller Medtronic und Abbott (vormals St. Jude) haben mittlerweile Defis entwickelt, die mit einem Bluetooth-Modul ausgestattet sind. Anstatt über ein externes Gerät können deren Daten nun mittels einer kostenlosen App direkt über das Smartphone übertragen werden.

Keine Angst vor der routinemäßigen Defi-Abfrage

Bei einer Defi-Abfrage wird von außen ein Programmierkopf auf die Brust des Patienten gelegt und die Daten ausgelesen. Sofern vorhanden und aktiv, wird anschließend die Schrittmacherfunktion geprüft, indem man das Herz stimuliert. Einige Patienten empfinden dies als unangenehm, andere spüren diese Stimulation kaum oder gar nicht. Die Defi-Abfrage verläuft recht zügig und dauert meist nicht mehr als zehn Minuten. Bei frisch Implantierten Systemen kontrollieren die Mediziner anschließend die Wunde, mit allen Patienten besprechen sie die Medikation und das allgemeine Befinden. Dr. Reinke empfiehlt außerdem, möglichst einmal pro Jahr ein Belastungs-EKG sowie eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durchführen zu lassen; diese sei nicht automatisch Bestandteil der Kontrollen.

Sommerpause bis 3. September

Angelika Däne bedankte sich ganz herzlich bei Dr. Reinke für den informativen Nachmittag und verabschiedete die Defi-Liga in die Sommerpause bis zum 3. September 2021.

 

 

Text: Birgit Schlepütz