Corona

Dr. Reinke berichtete, dass die Entwicklung der Corona-Zahlen die Kliniken aktuell mit Sorge erfülle und man sich dort auf eine längere Phase immer wiederkehrender Infektionsgipfel einstelle. In anderen Kliniken – vor allem im Süden Deutschlands – sei die Kapazität der Intensivstationen bereits reichlich ausgeschöpft. In Münster stelle man derzeit außerdem fest, dass die COVID-19-Patienten auf den Stationen jünger sind, als während der ersten „Welle“. Dennoch plädierte Florian Reinke dafür, sich nicht komplett einzuigeln. Soziale Kontakte seien möglich, allerdings mit großer Vorsicht und unter Einhaltung der AHA-L Regeln.

Mit dieser Vorsicht und mithilfe des vorbildlichen Hygienekonzepts der Akademie Franz Hitze Haus konnte auch das Telefoncoaching im Oktober stattfinden, an dem einige der Zugeschalteten teilgenommen hatten. Dort habe man im kleinen Kreis sehr intensiv diskutieren können, was als sehr wertvoll wahrgenommen wurde. „Es hat gut getan, sich tu treffen“, lautete das Fazit, auch wenn das gemütliche Zusammensein am Abend in diesem Jahr wegfallen musste.

Dr. Reinke ging auf Nachfrage auf Medienberichte ein, nach denen im UKM Mitarbeitende der zentralen OP-Einrichtung positiv auf Corona getestet worden waren. Im UKM habe man es sehr lange „ohne eine höhere Anzahl von Infektionen geschafft“, nun aber vorsichtshalber sieben der insgesamt 19 OP-Säle geschlossen. Die Mitarbeitenden, so Dr. Reinke weiter, würden zudem erst wieder in der Klinik arbeiten dürfen, wenn ihr PCR Test negativ ist. Nach wie vor gelte aber gerade für Herzpatienten: Bei Schmerzen oder Symptomen solle man auf jeden Fall die Klinik oder auch den Arzt aufsuchen. Hierbei berichtete er unter anderem davon, dass während der ersten Erkrankungswelle im Frühjahr weniger Herzinfarktpatienten in die Klinik kämen. Die Datenlage dazu sei zwar nicht valide, die Beobachtungen seien jedoch deutlich. Deshalb gab Dr. Reinke noch einmal den Hinweis: „Suchen Sie bei Problemen bitte medizinischen Rat.“ Dies müsse nicht zwingend der Besuch in der Klinik sein, man könne auch den Hausarzt kontaktieren. Hier empfehlen sich ein vorheriger Anruf und eine Terminabstimmung, um Wartezeiten mit anderen Patienten in der Praxis zu vermeiden.

Entresto®

Eine persönlich erfreuliche Nachricht konnte ein Teilnehmer beisteuern. Er nehme seit einem halben Jahr Entresto® und habe nun – nach einer Übergangsphase mit Schwindelanfällen – das Gefühl, er könne Bäume ausreißen. Auf die hoffnungsvolle Frage, ob dies so bliebe, ging Dr. Reinke zunächst auf die Schwindelanfälle ein. In der Anfangsphase der Medikation würden Schwindel und Abgeschlagenheit bei den Patienten beobachtet, da Entresto® den Blutdruck senke. Auf längere Sicht beobachte man aber bei sehr vielen Patienten den geschilderten Besserungseffekt. Entresto®, so Dr. Reinke, habe die Therapie der Herzschwäche wie kein anderes Medikament revolutioniert. Verschrieben wird dieses Mittel aktuell bei Herzschwäche-Patienten mit einer Ejektionsfraktion (EF) von < 35 Prozent. Es ist erforderlich, den ACE-Hemmer für 48 Stunden zu pausieren und erst im Anschluss die Einnahme von Entresto® mit einer niedrigen Dosis zu beginnen. Zu prüfen sei dann, ob diese Dosis erhöht werden solle. Dass augenblicklich ausschließlich Patienten mit einer EF < 35 Prozent das Medikament erhalten, hinge mit dem Zulassungsverfahren zusammen: Die wissenschaftliche Evidenz seiner Wirksamkeit basiert auf einer Studie, die ausschließlich mit Patienten durchgeführt wurde, die eine EF <35 Prozent hatten.

Vorhofflimmern

Ein weiteres Thema, das intensiv besprochen wurde, war das Vorhofflimmern und hier vor allem die Gefahr des Schlaganfalls. Grundsätzlich gebe es eine Reihe von Risikofaktoren, die Mediziner dazu veranlassen, dieser Gefahr mit Blutverdünnern entgegenzuwirken und damit das Schlaganfallrisiko zu reduzieren. Dazu gehören:

  • Alter > 65 Jahre
  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Herzinfarkt einhergehend mit einer EF <40
  • Arterienverkalkung
  • Schlaganfall in der eigenen Vorgeschichte
  • weibliches Geschlecht

Diese Risikofaktoren sind unterschiedlich bedeutsam und werden deshalb gewichtet. Das Alter etwa wiege als Risikofaktor schwer, der Blutdruck hingegen weniger schwer, sofern er gut eingestellt sei. Aktuell gebe es außerdem eine etwa sechs Wochen junge Studie, die nun auch wissenschaftlich bewiesen habe, dass Patienten durch die rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten oder einer Vorhofflimmerablation durch ein Katheterverfahren (Cryo-Ablation) einerseits beschwerdefreier seien, andererseits sich auch deren Lebensprognose verbessere.

Eine Schwierigkeit ist oft die EKG Dokumentation von Rhythmusstörungen. Treten vermehrte Rhythmusstörungen auf, sei zur Klärung der Art der Rhythmusstörung ein 24h-EKG oder ein Einzelfällen auch ein 7-Tage-EKG erwägenswert. Auch gibt es „Ereignisrekorder“, die für drei bis vier Wochen wie ein Langzeit-EKG getragen werden, aber nur im Falle von Rhythmusstörungen tatsächlich ein EKG speichern. Alternativ können Patienten, sobald sie Unregelmäßigkeiten verspüren,  einen „Knopf“ betätigen und damit die Aufzeichnung eines EKG veranlassen. Zugleich empfehle sich, parallel dazu ein Tagebuch über das persönliche Befinden während dieser Zeit zu führen. Externe Ereignisrekorder werden zum Beispiel von der UKM an Patienten ausgeliehen.

Zurück zu Corona

Zum Abschluss ging es noch einmal um Corona und die Frage, wie sehr das Virus auf das Herz einwirke, beziehungsweise es schädige. Eine kardiale Beteiligung einer COVID-19 Erkrankung gebe es und es existieren Daten, die auf eine erhöhte Sterblichkeit in einem solchen Falle hinweisen. Auch Rhythmusstörungen werden hier beobachtet. Verlässliche Langzeitbeobachtungen, so Dr. Reinke, gebe es dazu aufgrund der relativen Kürze der Pandemie noch nicht.

Allgemein gilt, dass eine Virus-bedingte Herzmuskelentzündung häufiger sei, als man denkt. Viele Menschen durchlitten im Laufe ihres Lebens eine Viruserkrankung des Herzens, viele machen diese aber durch, ohne etwas davon gemerkt zu haben. Es sei jedoch in aller Regel nicht „der Schnupfen“, der eine solche Virusentzündung auslöse, sondern eine länger andauernde Virusinfektion. 

Bevor sich alle in das Wochenende verabschiedeten, gab es noch einen Ausblick und eine letzte Empfehlung von Dr. Reinke: Seitens der Bundesregierung bereite man derzeit die Impfstrategie vor, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht. Geplant seien  60 Impfzentren, die von den Bundesländern benannt werden sollen.

Eine Expertengruppe des Deutsche Ethikrates, der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina und des Robert Koch-Institut (RKI) wird ein gemeinsames Papier erarbeiten, aus dem hervorgeht, in welcher Reihenfolge geimpft werden soll. Mitarbeiter des Gesundheitssystems stehen dabei an erster Stelle, gefolgt von der großen Gruppe der Risikopatienten. Man sei also gewappnet, sobald ein Impfstoff zugelassen und auf dem Markt sei. Eine gesellschaftliche Diskussion hierüber sei aber wünschenswert.

Die Empfehlung schließlich betraf die Grippeimpfung: Alle, die noch nicht geimpft seien, sollten diese Impfung gegen die saisonale Influenza in diesem Jahr wirklich vornehmen lassen.

Text: Birgit Schlepütz