Birgit Schlepütz: Frau Waltering, was liegt Ihnen als Pharmazeutin besonders am Herzen, wenn Sie vor Patienten sprechen?

Isabel Waltering: Für mich ist es eine besondere Herzensangelegenheit, Patienten klar zu machen, dass kein Arzneimittel harmlos ist – sei es frei verkäuflich, sei es pflanzlich. Insbesondere in der Kombination treten bei Patienten immer wieder Probleme auf. Mir ist es wichtig, dass sie nicht einfach „blind drauflos schlucken“, sondern ihre Medikamente hinterfragen und sich informieren. Und so schwer es ihnen vielleicht auch fällt, sollten sie nicht kritiklos alle Medikamente akzeptieren und sagen: Das wird schon so seine Richtigkeit haben.

Birgit Schlepütz: Wie geht man vor als Patient, wenn man sich darüber schlau machen möchte, ob es bei der Einnahme der Medikamente zu Wechselwirkungen kommen kann. Wie kommen Patienten überhaupt an Informationen darüber, ob das alles so zusammen passt, was sie einnehmen?

Isabel Waltering: Erste Ansprechpartner sind natürlich im Rahmen der Therapie der behandelnde Arzt oder die behandelnden Ärzte. Von ihnen können Patienten erfahren, warum sie überhaupt Medikamente nehmen und warum sie diese nehmen müssen. Denn nur, wenn sie das verstehen, sind sie bereit, sie auch tatsächlich einzunehmen und haben einen wirklichen Nutzen davon.

Außerdem können Patienten durch konsequentes Nachfragen herausfinden, ob es Medikamente gibt, die sie absetzen oder in der Dosis reduzieren können, sobald bestimmte Beschwerden verschwunden sind. Patienten, die einen Stent bekommen haben, erhalten zum Beispiel oft eine 12-monatige duale Therapie. Nach diesen 12 Monaten liegt es dann auch in ihrer Hand, nachzufragen, ob sie eines der beiden Medikamente absetzen können. Manchmal geht das nicht oder noch nicht, aber nachfragen sollten sie schon. Grundsätzlich gilt natürlich, dass Patienten Medikamente nie selbst absetzen, sondern sich dazu immer mit ihrem Arzt oder ihren Ärzten besprechen sollen.

Birgit Schlepütz: Viele Patienten suchen nicht nur einen Arzt auf, sondern mehrere: den Hausarzt, den Kardiologen – vielleicht auch noch weitere. Können Apotheker ihnen dabei helfen, den Überblick zu bewahren? Oder wer macht das?

Isabel Waltering: Ja, Apotheker können hier eine gewisse Koordinatorenfunktion übernehmen – auch, um den Hausarzt zu unterstützen. Patienten können deshalb in ihrer Hausapotheke ihre Medikamente speichern lassen. Sogar mit der entsprechenden Dosierung. Auf diese Weise können Apotheker doppelte Medikationen erkennen. Dann können sie gegebenenfalls zu einer Therapiedauer beraten. Zur richtigen Aufbewahrung von Medikamenten können sie etwas sagen und zu ihrer korrekten Anwendung. Beispielsweise, ob Patienten Medikamente vor dem Essen oder nach dem Essen einnehmen sollen und ob sie dazu nur Wasser trinken oder auch Tee oder Saft nehmen können. Das kann wichtig sein. Zusätzlich zu den ärztlich verordneten Medikamenten können Apotheker auch die frei erhältlichen Medikamente speichern. Auf diese Weise können sie überblicken, ob es durch die Selbstmedikation von Patienten zu Wechselwirkungen kommen kann. Von den frei verkäuflichen Medikamenten erfahren Ärzte ja nur dann etwas, wenn ihre Patienten mit ihnen darüber sprechen. Ansonsten wissen das nur die Apotheker. Hier können wir sehr gut beraten und helfen.

Birgit Schlepütz: Stichwort Selbstmedikation: Wie sieht es mit Nahrungsergänzungsmitteln aus? Wer sie kauft, hat ja grundsätzlich die Idee, seinem Körper etwas Gutes zu tut. Das kann aber auch ein Trugschluss sein, oder?

Isabel Waltering: In der Tat. Denken Sie an Mineralstoffpräparate, denken Sie an bestimmte Vitaminpräparate. Bei Nahrungsergänzungsmitteln besteht tatsächlich immer die Gefahr, dass sie mit Medikamenten interagieren oder für bestimmte Patienten schlichtweg nicht geeignet sind. Auch hier können Apotheker helfen. Die Prämisse ist und bleibt auch hier: Nichts was ich schlucke, ist harmlos und sollte deshalb kritisch hinterfragt werden.

 

Interview: Birgit Schlepütz
Foto: Ilona Kamelle-Niesmann